Guido Guerrieri 03 - Das Gesetz der Ehre
Konflikt geraten: Jahre zuvor hat man ihn festgenommen, angeklagt und zuletzt vom Vorwurf der Bandenbildung zum Zwecke des illegalen Handels mit Betäubungsmitteln freigesprochen. Außerdem pflegt Macrì aus weitgehend ungeklärten Gründen privaten Umgang mit einem Herrn Romanazzi, gegen den ein Verfahren wegen Drogenhandels anhängig ist, wie Macrì uns selbst berichtet hat. Der Zufall – ein höchst eigentümlicher Zufall – will, dass dieser Romanazzi mit derselben Fähre nach Italien zurückkehrt wie Paolicelli.
Sicher, Romanazzi und Paolicelli könnten den Drogendeal gemeinsam durchgeführt haben, Komplizen gewesen sein, wie der Staatsanwalt annimmt. Das ist nicht auszuschließen.
Allerdings gibt es zumindest ein Argument, das dieser These ganz entschieden widerspricht: Die Prozessakte enthält, wie Sie wissen, Listen mit den Verbindungsdaten der Mobiltelefone des Angeklagten und seiner Frau. In diesen Listen, die von den Ermittlern bei den Telefongesellschaften angefordert wurden, sind sämtliche Gespräche vermerkt, die in der Woche vor der Festnahme Paolicellis von beiden Telefonen aus geführt wurden. Durch Überprüfung der Daten wollten die Ermittler möglichen Mittätern auf die Spur kommen, aber sie machten keine nennenswerten Entdeckungen. Im betreffenden Zeitraum wurden kaum Telefonate geführt, und wenn, fast nur zwischen den Mobiltelefonen der Eheleute. Eine Nummer in Montenegro wurde mit Sicherheit nie angewählt, und ebenso wenig Nummern, die man irgendwie mit Romanazzi hätte in Verbindung bringen können – denn das hätte die Fahnder natürlich stutzig gemacht, schließlich ist Romanazzi im Zusammenhang mit Drogen mehrmals auffällig geworden. Im Begleitschreiben, mit dem der Zoll die Listen an die Staatsanwaltschaft übermittelt hat, heißt es aber lediglich, die Überprüfung der Daten habe nichts Auffälliges ergeben.
Die Anwesenheit Romanazzis an Bord der Fähre könnte also damit erklärt werden, dass er den Transport des Rauschgifts, das heißt, den ahnungslosen Kurier, risikolos aus nächster Nähe beobachten wollte. Sobald sie in Italien ankamen, sollte er die letzte Phase der Operation in die Wege leiten und die Droge wieder an sich bringen.
Desgleichen könnte es durchaus Romanazzi gewesen sein, der Paolicellis Frau durch einen Boten ausrichten ließ, sie möge doch Macrì zum Verteidiger ihres Mannes ernennen.
Weshalb sollte er das getan haben? Nun, beispielsweise weil er das Verfahren durch einen Mann seines Vertrauens verfolgen und überwachen lassen wollte. Und um verhindern zu können, dass Paolicelli den Ermittlern gegenüber Aussagen machte, die der Organisation geschadet hätten, etwa zu dem Hotel in Montenegro oder zu der Person, der er abends die Autoschlüssel übergab, und so weiter. Tatsächlich rät Macrì seinem Mandanten, die Aussage zu verweigern, wie denn auch der gesamte Prozess in erster Instanz verläuft, ohne dass der Angeklagte einmal den Mund aufmacht – von seinem Pseudogeständnis unmittelbar nach der Verhaftung einmal abgesehen.
Vergessen wir auch nicht, dass Macrì sich für die Freigabe des beschlagnahmten Wagens einsetzt, der auf Frau Paolicelli angemeldet ist. Und vor allem, dass er den Wagen persönlich in der Garage abholt, in der er aufbewahrt wird.
Welcher Rechtsanwalt tut so etwas? Und warum tut er es? In der Regel kümmert sich ein Anwalt lediglich um die Freigabe eines beschlagnahmten Fahrzeugs – die Abholung besorgt der Mandant, das wissen wir alle.
Macrìs Verhalten ist also höchst ungewöhnlich, und wir sollten wenigstens versuchen, eine vernünftige Erklärung dafür zu finden. Wäre nicht denkbar, dass sich in dem Fahrzeug noch etwas befand? Etwas, was die Zöllner nicht gefunden hatten, die Drogenhändler aber unbedingt wiederhaben wollten? Noch mehr Rauschgift etwa oder auch ein GPS, das in dem Wagen installiert wurde? Ich bin überzeugt, Sie wissen, was ein GPS ist.«
Natürlich war ich überzeugt, dass sie es nicht wussten.
»Ein GPS ist ein satellitengestütztes Navigationssystem. Es dient der Diebstahlsicherung von Luxuswagen; die Polizei verwendet es auch zur Überwachung der Fahrzeuge von Personen, gegen die ermittelt wird. Mit einem GPS lässt sich die Position eines Wagens selbst aus weiter Entfernung bis auf wenige Meter genau bestimmen, und zwar unter Zuhilfenahme von Mobilfunkleitungen. Gelingt es, an das im Fahrzeug installierte Gerät zu kommen, kann man auch die mobilen Telefonanschlüsse ausmachen, die für
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