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Gullivers Reisen

Gullivers Reisen

Titel: Gullivers Reisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Swift
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kamen wir zum Hause, welches wirklich ein schönes Gebäude und nach den besten Regeln der antiken Baukunst errichtet war. Die Fontänen, Gärten, Spaziergänge, Wege und Wäldchen waren mit dem feinsten Geschmack und zum besten Vortheil angelegt. Ich ertheilte jeder Einzelnheit das gebührende Lob. Seine Excellenz nahm aber hierauf nicht eher Rücksicht, als bis nach dem Abendessen, und sagte mir dann mit sehr melancholischen Zügen: er glaube, noch gezwungen zu werden, seine Häuser auf dem Lande und in der Stadt niederreißen zu lassen, um sie nach der gegenwärtigen Mode aufzubauen; er werde noch alle seine Pflanzungen zerstören müssen, um ihnen die Form zu geben, welche der neuere Geschmack verlange; er werde zuletzt allen seinen Pächtern Befehle in diesem Sinne ertheilen, wenn er nicht den fortwährenden Tadel des Stolzes, der Affektation, der Unwissenheit und des Eigensinns auf sich laden, oder vielleicht noch die Ungnade des Königs vermehren wolle; die Bewunderung, die ich gegen ihn äußere, werde wahrscheinlich aufhören, wenn er mir mehrere Einzelnheiten berichtet haben werde, von denen ich bei Hof Nichts hätte hören können. Die Leute dort oben beschäftigen sich zu sehr mit ihren Spekulationen, um auf dasjenige, was unten geschehe, irgend Rücksicht nehmen zu können.
    Folgendes ergab sich als Hauptinhalt seines Vortrags: Vor ungefähr fünfzig Jahren begaben sich mehrere Personen nach Laputa, entweder des Vergnügens oder ihrer Geschäfte wegen. Nachdem sie dort fünf Monate geblieben waren, kehrten sie mit einiger oberflächlichen Kenntniß der Mathematik, aber mit einer Menge flüchtigen Geistes zurück, den sie in der oberen Region erlangt hatten. Nach ihrer Rückkehr begannen diese Leute an Allem hier unten Mißbehagen zu finden, und kamen auf Entwürfe, alle Künste, Wissenschaften, Sprachen und Handwerke nach neuem Fuß umzubilden. Zu dem Zweck verschafften sie sich ein königliches Patent für Errichtung einer Akademie von Projektenmachern, und ihre Laune verbreitete sich unter dem Volke mit solcher Schnelle, daß es bald keine Stadt von Wichtigkeit im Königreiche mehr gab, worin nicht eine solche Akademie errichtet wurde. In diesen Kollegien erfinden die Professoren neue Regeln des Ackerbaus und der Baukunst, neue Instrumente für alle Handwerke und Manufakturen. Das Unternehmen geht darauf hinaus, daß ein Mann die Arbeiten von zehn verrichtet; ein Palast soll in einer Woche von so dauerhaftem Material erbaut werden, daß er, ohne der Ausbesserung zu bedürfen, für immer feststeht. Alle Früchte der Erde sollen zu jeder beliebigen Jahreszeit reif werden, und einen um hundert Procent größeren Ertrag, wie gegenwärtig, liefern; ähnliche Vorschläge, die genug Glück verheißen, sind in Menge gemacht worden. Das einzige Unglück besteht nur darin, daß keines dieser Projekte bis jetzt zur Vollkommenheit gelangt ist. Mittlerweile liegt das ganze Land elend und wüst, die Häuser verfallen und die Einwohner sind ohne Kleider und Nahrung. Anstatt hiedurch entmuthigt zu werden, verfolgen dieselben nur ihre Entwürfe mit desto größerer Heftigkeit, zugleich voll Hoffnung und Verzweiflung. Er selbst (Seine Excellenz) sey kein Mann mit Unternehmungsgeist; er ziehe es vor, bei den alten Formen zu bleiben, im Hause seiner Ahnen zu wohnen, und in jedem Lebensverhältnisse ohne Neuerung den ruhigen Gang beizubehalten. Einige wenige Personen von Stand hätten dasselbe gethan, würden aber verächtlich und übelwollend als Feinde der Künste, als unwissende und schlechte Staatsbürger betrachtet, welche ihre eigene faule Bequemlichkeit der allgemeinen Verbesserung ihres Vaterlandes vorziehen.

    Seine Excellenz fügte hinzu: Er wolle in keiner Weise das Vergnügen verhindern, das ich sicherlich im Besuche der großen Akademie empfinden würde, wohin er mich zu führen entschlossen sey. Er bat mich, nur ein ruinirtes Gebäude an einem Berge, in der Entfernung von anderthalb Stunden von seinem Hause, zu betrachten, wovon er mir folgenden Bericht gab: Er hatte eine sehr gute Mühle, welche, eine halbe Stunde vom Hause entfernt, durch einen Wasserstrom getrieben wurde. Die Mühle genügte ihm, seiner Familie und einem großen Theile seiner Pächter. Vor sieben Jahren aber kam ein Klub von Projektenmacher mit dem Vorschlage, er solle die Mühle niederreißen und eine andere an dem Abhange jenes Berges erbauen, an dessen Wand ein Kanal eingehauen werden müsse, nebst einem Behälter für das Wasser,

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