Gullivers Reisen
welches durch Röhren und Maschinen der Mühle zugeführt werden solle. Wind und Luft wirkten nämlich in der Höhe auf das aufgeregte Wasser, und machten es somit passender zur Bewegung; wenn nun das Wasser einen Abhang hinabfahre, würde es die Mühle mit der Hälfte des Stromes treiben, welcher nur wenig tiefer als das Niveau sey. Seine Excellenz sagte: damals sey er bei Hofe nicht gut angeschrieben gewesen; seine Freunde hätten ihn bedrängt, und somit sey er auf den Vorschlag eingegangen. Er habe hundert Menschen zwei Jahre lang arbeiten lassen, das Werk sey mißlungen, die Projektmacher seyen davon gegangen und hätten ihm allein die Schuld zugeschoben, seitdem fortwährend über ihn gespottet, und Andere zu demselben Experiment mit derselben Versicherung des glücklichen Erfolgs bewogen, aber auch mit derselben Vereitelung aller Hoffnungen sitzen lassen.
Nach wenigen Tagen kehrten wir zur Stadt zurück. Seine Excellenz wollten mich, in Betracht des schlechten Rufes, den er bei der Akademie besaß, nicht selbst dort einführen, sondern empfahl mich einem seiner Freunde, der mich dort hinbringen sollte. Auch hatte Seine Excellenz die Güte, mich als einen großen Bewunderer von Projekten, und eine sehr neugierige und leichtgläubige Person vorzustellen. Dies war auch wirklich einigermaßen der Fall, denn ich war in meiner Jugend eine Art von Projektmacher gewesen.
Fünftes Kapitel.
Der Verfasser erhält die Erlaubniß, die große Akademie von Lagado zu besehen; die Akademie wird weitläufig beschrieben. Die Künste, womit sich die Professoren beschäftigen.
Complicirt ist dieses Gebäude der Akademie in hohem Grade. Es besteht nämlich aus einer Reihe Häuser an beiden Seiten der Straße, welche zu dem Zweck gekauft und eingerichtet wurden, da sie bereits leer standen und in Verfall geriethen. Ich wurde von dem Aufseher sehr gut aufgenommen und besuchte darauf mehrere Tage die Akademie. Jedes Zimmer hatte einen oder mehrere Projektmacher und wie ich glaube, bin ich in nicht weniger als fünfhundert Zimmer gewesen.
Der Erste, den ich erblickte, war ein magerer Mann mit schmutzigen Händen und Gesicht, langem Bart und Haar, zerlumpt, und an mehreren Stellen seines Körpers versengt. Kleider, Hemd und Haut waren bei ihm von derselben Farbe. Er hatte acht Jahre lang das Projekt verfolgt, Sonnenstrahlen aus Gurken zu ziehen, welche in hermetisch geschlossenen Phiolen aufgestellt und in rauhen Sommern herausgenommen wurden, weil sie die Luft erwärmen sollten. Er sagte mir, ohne Zweifel werde er in acht Jahren, oder vielleicht in noch längerer Zeit im Stande seyn, die Gärten des Gouverneurs zu mäßigen Preisen mit Sonnenschein zu versehen. Er beklagte sich jedoch über Mangel an Geld, und bat mich, ihm zur Ermuthigung des Genies etwas zu geben, besonders da die Gurken in jetziger Jahreszeit sehr theuer wären. Ich gab ihm ein kleines Geschenk, denn der Lord hatte mich zu dem Zwecke mit Geld versehen, weil er die Gewohnheit jener Leute kannte, von Jedem, der sie besuchte, Etwas zu erbetteln.
Ich ging in ein anderes Zimmer, war aber schon im Begriff zurückzueilen, weil mich ein furchtbarer Gestank beinahe überwältigte. Mein Führer aber drängte mich wieder voran, indem er mich mit einem Flüstern beschwor, keinen Anstoß zu geben, den man mir im höchsten Grade übel nehmen würde, und deßhalb wagte ich nicht einmal, mir die Nase zuzuhalten. Der Projektmacher in dieser Zelle war der älteste Gelehrte der Akademie; Gesicht und Bart waren von blassem Gelb, Hände und Kleider mit Koth bedeckt. Als ich ihm vorgestellt wurde, erdrückte er mich beinahe mit einer Umarmung, ein Kompliment, das ich abzulehnen Ursache wohl gehabt hätte. Seine Beschäftigung war seit seiner ersten Anstellung in der Akademie, den Menschenkoth in den primativen Zustand, durch Scheidung der verschiedenen Theile, durch Entfernung der Galle, des Speichels und des Geruchs wieder zu versetzen. Die Gesellschaft hatte ihm wöchentlich ein gefülltes Gefäß von der Dicke einer Schiffstonne bewilligt.
Ich sah einen Andern, welcher Eis in Schießpulver kalciniren wollte. Dieser zeigte mir auch eine Abhandlung, die er über die Hämmerbarkeit des Feuers geschrieben hatte, und die er herausgeben wollte.
Auch befand sich dort ein wahrhaftes Genie, durch welches man die neue Baukunst-Methode verbesserte, nach welcher man mit dem Dache anfangen und so bis zum Fundamente fortfahren sollte. Er rechtfertigte dieses Verfahren durch die Bauart
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