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Gullivers Reisen

Gullivers Reisen

Titel: Gullivers Reisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Swift
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Augenblick sie mit ziemlicher Sicherheit vorhersagen können, erwidern sie die Besuche den nächsten Nachbarn, indem sie von Yähus in einem bequemen Sessel getragen werden. Diese Sessel gebrauchen sie nicht allein bei dieser Gelegenheit, sondern überhaupt wenn sie alt werden, oder auf großen Reisen, oder wenn sie durch Zufall gelähmt sind. Die sterbenden Hauyhnhnms, welche diesen Besuch abstatten, nehmen feierlichen Abschied von ihren Freunden, als ob sie sich in einen entfernten Theil des Landes begäben, wo sie die letzte Zeit ihres Lebens zubringen wollen.

    Ich weiß nicht, ob es der Mühe werth ist, hier noch zu bemerken, daß es kein Wort in ihrer Sprache für den Begriff böse giebt, mit Ausnahme einiger Ausdrücke, welche von der Entstellung oder den schlechten Eigenschaften der Yähus hergenommen sind. So bezeichnen sie die Dummheit eines Bedienten, die Unart eines Kindes, einen Stein, der ihren Fuß ritzt, lange Dauer des schlechten Wetters und ähnliche Dinge durch die Hinzufügung des Beiwortes Yähu. Z. B. hhnm Yähu, whnaholm Yähu, ylnhmndwilma Yähu; ein schlecht gebautes Haus heißt ynholmhnmrohlnw Yähu.
    Ich würde mit großem Vergnügen die Sitten und Tugenden dieses ausgezeichneten Volkes noch länger darlegen, habe jedoch die Absicht, in kurzer Zeit ein besonderes Buch über diesen Gegenstand herauszugeben und muß den Leser deßhalb hierauf verweisen. Mittlerweile will ich meine traurige Katastrophe hier erzählen.

Zehntes Kapitel.

    Des Verfassers Haushalt und glückliches Leben bei den Hauyhnhmns. Seine Fortschritte in der Tugend durch den Umgang mit denselben. Ihre Unterhaltungen. Dem Verfasser wird von seinem Herrn angezeigt, er müsse das Land verlassen. Er fällt aus Gram in Ohnmacht, unterwirft sich jedoch seinem Unglück. Er erfindet und verfertigt einen Kahn mit Hülfe des braunen Kleppers und stößt auf gut Glück in die See.

    Ich hatte meinen kleinen Haushalt durchaus nach meiner Zufriedenheit eingerichtet. Mein Herr hatte befohlen, mir eine Hütte nach der Landessitte zu erbauen, welche sechs Ellen vom Hauptgebäude entfernt war. Die Seiten und den Fußboden desselben bedeckte ich mit Lehm und Binsenmatten, die ich selbst erfunden. Ich hatte Hanf, der dort wild wächst, mir zubereitet und machte daraus eine Art Zwillich; diesen füllte ich mit den Federn verschiedener Vögel, die ich in Schlingen aus Yähuhaaren einfing und die mir eine treffliche Nahrung boten. Ich hatte zwei Stühle mit meinem Messer verfertigt, wobei der fuchsbraune Klepper in dem gröberen und mühseligeren Theile der Arbeit half. Als meine Kleider zerrissen waren, machte ich mir andere aus den Häuten von Kaninchen und von gewissen schönen Thieren derselben Größe, die Nnuhnoh heißen, deren Fell mit dem zartesten Flaum bedeckt ist. Daraus machte ich mir auch erträgliche Strümpfe. Meine Schuhe besohlte ich mit Holz, das ich aus Bäumen geschnitten und zugerichtet hatte, so daß ihre Sohle an das Oberleder paßte; als auch dieses abgenutzt war, ersetzte ich es durch Fell von Yähus, das an der Sonne getrocknet war. Oft auch nahm ich Honig aus hohlen Bäumen, vermischte denselben mit Wasser, oder aß ihn zu meinem Brode. Niemand hat somit, wie ich, die Wahrheit der zwei Grundsätze erfahren: die Natur werde leicht zufriedengestellt und Nothwendigkeit sey die Mutter der Erfindung.

    Ich war im Körper vollkommen gesund und meine Seele genoß der größten Heiterkeit. Ich härmte mich nicht über die Verrätherei oder Unbeständigkeit eines Freundes, noch über die Beleidigungen eines offenen oder geheimen Feindes. Ich hatte keine Gelegenheit zum Bestechen, Heucheln und Kuppeln, um mir die Gunst eines mächtigen Mannes oder seines Lieblings zu verschaffen. Ich brauchte keinen Schutz gegen Betrug oder Unterdrückung. Es gab dort weder Aerzte meinen Leib, oder Juristen mein Vermögen zu ruiniren, keine Spione, meine Worte und Handlungen zu belauschen, oder Anklagen für Geld gegen mich zu schmieden; hier gab es keine Spötter, Klatscher, Verläumder, Taschendiebe, Räuber, Sachwalter, Kuppler, Narren, Spieler, Politiker, Witzlinge, launenhafte Menschen, langweilige Schwätzer, Zänker, Nothzüchter, Mörder und Virtuosen; keine Parteihäupter und Parteigänger, keine Anreizer zum Laster durch Verführung oder Beispiel; keine Gefängnisse, Beile, Galgen, Prügelpfosten oder Schandpfähle; keine betrügerischen Wirthe oder Handwerker; keinen Stolz, keine Eitelkeit oder Affektation; keine Stutzer,

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