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Gullivers Reisen

Gullivers Reisen

Titel: Gullivers Reisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Swift
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in seinem Stall gehalten und sie zu einem solchen Grade von Zahmheit, wie sie ein von Natur so wildes Thier nur erlangen könne, dadurch gebracht, daß er sie zum Ziehen und Lasttragen verwandt habe.
    Diese Tradition scheine wahr zu seyn, denn jene Geschöpfe konnten nicht Ylnhiamshy (Ureinwohner) des Landes seyn, weil die Hauyhnhnms wegen des heftigen Hasses, welchen sie, wie andere Thiere, gegen die Yähus mit vollem Rechte hegten, unmöglich zu der Höhe von Vollkommenheit hätten gelangen können; wären Yähus die Ureinwohner, so wären die Hauyhnhnms wahrscheinlich ausgerottet worden. Die Einwohner hätten hierauf eine besondere Vorliebe für den Dienst der Yähus gefaßt, und dadurch, unvorsichtigerweise, die Fortpflanzung der Esel vernachläßigt, welche artige, weit ordentlichere und zahme, leicht zu bewachende Thiere seyen, die auch keinen unangenehmen Geruch besäßen. Sie seyen ferner auch stark genug zur Arbeit, obgleich sie den Yähus an Behendigkeit nachstünden; sey auch ihr Geschrei kein angenehmer Schall, so müsse man dasselbe doch dem furchtbaren Geheule der Yähus vorziehen.

    Mehrere Andere sprachen ihre Ansicht in derselben Weise aus, worauf mein Herr der Versammlung einen Vorschlag machte, worüber ich ihm in der That einen Wink gegeben hatte. Er gestand die Wahrheit der Tradition zu, welche das ehrenwerthe Parlamentsglied, das so eben gesprochen, angeführt habe. Jedoch die beiden Yähus die man zuerst im Lande erblickte, müßten auf dem Meere hieher verschlagen und von ihren Gefährten verlassen seyn. Sie hätten sich auf die Gebirge zurückgezogen, seyen dorten allmählich entartet und wilder wie die Menschen des Landes geworden, von wo sie anlangten. Den Grund zu dieser Behauptung, fuhr der Andere fort, sehe ich in dem Umstände, daß ich jetzt einen wunderbaren Yähu besitze (damit war ich gemeint); die meisten von euch haben wohl schon davon gehört und viele ihn auch gesehen (der Redner erzählte alsdann die Art, wie er mich gefunden habe). Sein Körper ist mit einer künstlichen Zusammensetzung von Häuten und Haaren anderer Thiere bedeckt; er hat seine eigene Sprache, versteht jedoch auch die unsrige. Er hat mir die Begebenheiten erzählt, die ihn hieher brachten. Ich habe ihn auch ohne Bedeckung gesehen. Er ist ein vollkommner Yähu in jedem Körpertheile, jedoch von weißer Farbe, weniger haarig und besitzt keine Klauen. Er hat sich bemüht, mich zu überreden, daß die Yähus in seinem Vaterlande die regierenden und vernünftigen Thiere sind und die Hauyhnhnms zu ihrem Dienste gebrauchen. Er hat alle Eigenschaften eines Yähu, ist aber durch einen Anflug von Vernunft ein wenig verfeinert; dieser ist jedoch in demselben Gerade geringer wie unsre Vernunft, als die der Yähus seines Vaterlandes im Vergleich mit der unsrigen. Er hat mir unter Andern einen Gebrauch derselben erzählt, wonach die Hauyhnhnms in ihrer Jugend verschnitten werden, um sie zahmer zu machen, und diese Operation ist leicht und sicher. Auch ist es ja keine Schande, von Thieren zu lernen; Fleiß lernt man von der Ameise, das Bauen von der Schwalbe, (so übersetze ich das Wort Leihanhh , obgleich dieser Vogel etwas größer ist, als der erwähnte). So läßt sich diese Erfindung bei den jüngeren Yähus anwenden, welche ohnedies leichter zu behandeln, und zu gebrauchen sind. Dadurch wird das ganze Geschlecht ohne Tödtung aufhören. Zugleich müssen aber die Hauyhnhnms die Zucht der Esel befördern, die in jeder Hinsicht werthvollere Thiere sind, und zugleich den Vortheil gewahren, daß man sie schon im fünften Jahre gebrauchen kann, da dies bei den Yähus nur im zwölften möglich ist.

    Dies war Alles, was mir mein Herr über den Vorgang in der Rathsversammlung damals sagen wollte. Er hatte die Güte, einen Umstand zu verhehlen, der sich auf mich bezog, und dessen unheilvolle Wirkung ich bald empfand, wie der Leser am gehörigen Orte erfahren wird, wovon ich alle meine spätern Unglücksfälle herleite.
    Die Hauyhnhnms kennen keine Schrift und deßhalb beruht ihr ganzes Wissen auf Tradition. Da jedoch bei einem Volke, wo Alle befreundet und zu jeder Tugend durch Natur geneigt sind, das ferner ausschließlich durch Vernunft regiert wird, nur keinen Verkehr mit andern Völkern hat, wenige Ereignisse sich zutragen können, so wird der historische Theil des Wissens durch das Gedächtniß sehr leicht bewahrt. Ich bemerkte schon, daß die Hauyhnhnms keinen Krankheiten ausgesetzt sind, und deßhalb keine Aerzte

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