Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gullivers Reisen

Gullivers Reisen

Titel: Gullivers Reisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Swift
Vom Netzwerk:
verfahren ist, und weder das Jahr, noch den Monat des Jahres, noch den Tag des Monats pünktlich angegeben hat; und da ich habe sagen hören, das Originalmanuscript sey nach der Veröffentlichung meines Werkes vernichtet worden, und ich keine Abschrift davon habe, so sende ich Ihnen hier einige Berichtigungen, die Sie bei einer zweiten Ausgabe einschalten können; doch stehe ich nicht dafür ein, und ich überlasse den verständigen und redlichen Lesern die Sorge, sich die Sachen so zu denken, wie sie seyn sollten.
    Man hat mir gesagt, unsere Yahu'schen Seeleute finden meine Seesprache an gewissen Stellen veraltet. Dieser Uebelstand war unvermeidlich. Auf meiner ersten Reise, wo ich noch sehr jung war, wurde ich von sehr alten Seemännern unterrichtet, und lernte sprechen wie sie. In der Folge sah ich, daß die Yahus zur See zur Aufnahme neuer Wörter eben so geneigt sind, wie die Yahus zu Lande, die beinahe jedes Jahr die Sprache ändern, so daß ich, so oft ich in mein Vaterland zurückkehrte, den Dialekt so verändert fand, daß ich ihn kaum mehr verstand. Ebenso wenn ich von einigen Neugierigen aus London einen Besuch erhalte, können wir uns niemals einander verständlich machen, weil wir uns ganz verschiedener Worte bedienen, um unsere Ideen auszudrücken.
    Wenn die Kritiker der Yahus mich nun im Mindesten interessiren würden, so hätte ich das volle Recht, mich über mehrere derselben zu beklagen, die so unverschämt waren, gleich von vornherein zu behaupten, meine Reisebeschreibung sey eine bloße Erdichtung, die ich aus meinem Gehirn geschöpft habe; ja sie waren sogar so keck zu sagen, es gäbe ebensowenig Huyhnhnms und Yahus, als Einwohner von Utopien.
    Gleichwohl gestehe ich, daß in Beziehung auf die Völker von Lilliput, Brobdingrag (so muß das Wort geschrieben werden und nicht, wie man irrig schreibt, Brobdingnag) und Laputa keiner unserer Yahus keck genug war, den mindesten Zweifel gegen sie anzuregen, so wenig als gegen die Thatsachen, die ich in Beziehung auf diese Völker anführte; denn hier ist die Wahrheit so einleuchtend, daß sie die Ueberzeugung mit Gewalt erzwingt. Aber ist denn meine Erzählung von den Huyhnhnms und Yahus weniger wahrscheinlich? Sieht man nicht auch in diesem Lande Tausende dieser Letzteren, die sich von ihren viehischen Brüdern im Lande der Huyhnhnms nur dadurch unterscheiden, daß sie eine Art von Jargon sprechen und nicht ganz nackt gehen? Ich habe geschrieben, um ihre Vervollkommnung zu veranlassen, nicht ihre Billigung zu erhalten. Die einstimmigen Lobsprüche ihres ganzen Geschlechtes wären in meinen Augen weniger achtungswerth, als das Wiehern zweier ausgearteter Huyhnhnms, die ich in meinem Stalle halte; denn trotz ihrer Erniedrigung kann ich bei ihnen noch einige Aeußerungen von Tugend bemerken, ohne Beimischung von Laster.
    Sollten es diese elenden Thiere wagen, mich für so niedrig zu halten, um mich herabzulassen, meine Wahrhaftigkeit zu vertheidigen? Obgleich auch ich ein Yahu bin, so ist doch bekannt, daß ich durch den Unterricht und das Beispiel meines erlauchten Lehrers in einer Zeit von zwei Jahren (nicht ohne große Schwierigkeit, wie ich gestehen muß) es dahin brachte, diese höllische Gewohnheit, zu lügen, aufzuschneiden, zu betrügen, zweideutig zu reden, die namentlich in Europa bei meiner Gattung so eingewurzelt ist, ganz abzulegen. Ich könnte noch manche Klagen über diese leidige Sache vorbringen; aber ich will Sie und mich nicht länger ermüden. Ich muß gestehen, daß seit meinem letzten Briefe durch den Umgang mit einer kleinen Zahl Individuen Ihrer Gattung, namentlich mit denjenigen meiner Familie, mit denen ich nicht umhin kann, Umgang zu pflegen, ein Rest des schlimmen Sauerteiges meiner yahu'schen Natur in mir wieder lebendig geworden ist; wenn das nicht wäre, hätte ich wahrscheinlich niemals einen so ungereimten Plan entworfen, wie der ist, das Geschlecht der Yahus in diesem Königreiche reformiren zu wollen. Aber jetzt habe ich für immer auf solche Chimären verzichtet.
    2. April 1727.

Erster Teil – Reise nach Liliput.
     

Erstes Kapitel.

    Der Verfasser gibt Nachricht von seiner Person und seiner Familie. Seine erste Veranlassung zu reisen. Er leidet Schiffbruch, sucht sich durch Schwimmen zu retten, erreicht wohlbehalten den Strand von Lilliput, wird gefangen genommen und in das Innere des Landes gebracht.

    Mein Vater besaß ein kleines Gut in Nottinghamshire; ich war der Dritte seiner fünf Söhne. Mit dem vierzehnten

Weitere Kostenlose Bücher