Gullivers Reisen
beritten und bewaffnet, zugleich mit den kommandirenden Officiren mit meiner Hand hinauf. Sobald sie in Reihe und Glied aufgestellt waren, theilten sie sich in zwei Parteien, manövrirten in Scheingefechten, schossen mit stumpfen Pfeilen, zogen ihre Schwerter, flohen und verfolgten, griffen an und zogen sich zurück. Kurz, sie offenbarten die beste militärische Disciplin, die ich jemals geschaut habe. Die horizontal liegenden Stäbe verhinderten, daß sie mit ihren Pferden von der Bühne hinabfielen, und der Kaiser war über diese Unterhaltung so entzückt, daß er sie mehrere Tage lang zu wiederholen befahl, auch hatte er einmal die Gnade sich hinaufheben zu lassen, und selbst zu commandiren. Er überredete sogar die Kaiserin mit großer Mühe sich von mir in ihrer Sänfte, zwei Ellen von der Bühne entfernt, emporhalten zu lassen, damit sie eine vollkommene Ansicht der Manöver erlangen könnte. Es war mein Glück, daß kein Unfall bei dieser Unterhaltung Seiner Majestät stattgefunden hat; nur einmal schlug ein feuriges Pferd, das ein Kapitän ritt, mit den Hufen hinten aus und riß ein Loch in das Schnupftuch; sein Fuß glitt aus und es stürzte mit seinem Reiter. Sogleich aber hob ich sie wieder auf, bedeckte das Loch mit der einen Hand und setzte die Truppen mit der andern in derselben Weise herunter, wie ich sie hinaufgehoben hatte. Das gestürzte Pferd hatte sich die linken Hinterschenkel verrenkt, allein der Reiter war nicht beschädigt. So gut wie möglich besserte ich meine Schnupftuch wieder aus, setzte aber auf seine Haltbarkeit nicht länger Vertrauen, um auf's Neue eine so gefährliche Unternehmung zu wagen.
Ungefähr zwei oder drei Tage früher war ich in Freiheit gesetzt worden. Als ich den Hof mit dem erwähnten Kunststück unterhielt, langte plötzlich ein Courier an, um Seine Majestät zu benachrichtigen, daß Einer Seiner Unterthanen einen Fund gemacht habe. Jener war in der Gegend des Ortes, wo ich zuerst gefunden wurde, spazieren geritten, und hatte eine große schwarze Substanz von sonderbarer Form auf dem Boden erblickt. Sie streckte ihre Ränder bis zum Umfange des Schlafzimmers Seiner Majestät und zwar in der Runde aus und erhob sich in der Mitte bis zu einer Manneslänge; es sey kein lebendes Geschöpf, wie man zuerst befürchtete (so lautete der Bericht), sondern sey bewegungslos auf dem Grase ausgestreckt gewesen; Mehrere seyen einigemale herum gegangen, dann einander auf die Schultern gestiegen um auf den Gipfel zu gelangen. Sie fanden denselben flach und eben und bemerkten durch Stampfen, die Substanz sey inwendig hohl. Dann hatten sie die unterthänigste Meinung gehegt, dies werde wohl Etwas seyn, welches dem Bergmenschen angehöre; wenn Seine Majestät befehle, würden sie es mit fünf Pferden herbeischaffen. Ich verstand sogleich was sie bezeichnen wollten und freute mich im Herzen diese Nachricht zu erhalten. Als ich nämlich nach meinem Schiffbruch zuerst das Land erreichte, war ich so verwirrt, daß mein Hut mir vom Kopfe fiel, bevor ich den Ort, wo ich einschlief, erreichte. Meinen Hut hatte ich nämlich beim Rudern mit einer Schnur auf dem Kopfe befestigt, und er war deßhalb während des Schwimmens mir nicht abgefallen; erst als ich gelandet war, hatte ich ihn verloren; die Schnur mußte durch irgend einen Zufall, den ich nicht bemerkte, gerissen seyn; früher glaubte ich ihn im Meere verloren zu haben. Ich bat darauf Seine kaiserliche Majestät, indem ich die Natur und den Nutzen desselben beschrieb, er möge Befehle ertheilen, mir ihn so schnell als möglich überbringen zu lassen. Am nächsten Tage kamen auch die Fuhrleute mit ihm an, brachten ihn aber in keinem guten Zustande; sie hatten in dem Rand, anderthalb Zoll am äußersten Ende, zwei Löcher gebohrt und in den Löchern zwei Haken befestigt; auf einen Wagen hatten sie ihn nicht geladen, sonderst mit langen Stricken an das Geschirr der Pferde gebunden, die ihn ungefähr eine halbe englische Meile auf dem Boden hinter sich herschleiften, da jedoch der Boden dieses Landes ausserordentlich eben und sanft ist, so wurde mein Hut weniger beschädigt, als ich befürchtet hatte.
Zwei Tage nach diesem Abenteuer befahl der Kaiser, derjenige Theil seines Heeres, welcher in der Hauptstadt und in der Umgegend einquartirt sey, solle sich zum Marsch bereit halten. Er hatte nämlich den Einfall, sich auf sonderbare Weise zu unterhalten. Er wünschte, ich möchte mich wie ein Koloß aufstellen, indem ich die Beine, so weit wie
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