Gullivers Reisen
Degengriff), sonst würde ich ihm auf der Tatze eine solche Wunde beigebracht haben, daß er dieselbe mit größerer Eile wieder zurückgezogen hätte, wie er sie hereingesteckt. Dies sprach ich in so festem Ton, wie ein Mann, welcher besorgt ist, sein Muth möge in Zweifel gezogen werden. Meine Rede brachte aber nichts als ein lautes Gelächter hervor, so weit es die Achtung vor der Majestät bei denen, die ihre Munterkeit nicht unterdrücken konnten, erlaubte. Da kam ich auf den Gedanken, daß der Versuch eines Menschen, bei denen auf seiner Ehre zu beharren, die in jedem Grade der Vergleichung hoch über ihm stehen, doch ein vergebliches Unternehmen sey. Und dennoch habe ich diese Moral meiner Erzählung seit meiner Rückkehr nach England häufig anzuwenden Gelegenheit gehabt, wo verächtliche Bediente, ohne den geringsten Anspruch auf Geburt, Gestalt, Witz und Menschenverstand, so frech sind, sich ein wichtiges Ansehen zu geben und sich mit der größten Person des Königreichs auf gleichen Fuß zu setzen.
Täglich war bei Hof irgend eine Posse von mir im Umlauf, und Glumdalclitch , ob sie mich gleich außerordentlich liebte, war so muthwillig, jede Thorheit, die ich beging, der Königin zu hinterbringen, so oft dergleichen ihrer Majestät Vergnügen machen konnte. Das Mädchen war einst unpäßlich und fuhr deßhalb mit ihrer Erzieherin aus bis auf eine Stunde, oder dreißig Meilen, von der Stadt, um frische Luft zu schöpfen. Sie stiegen an einem Fußpfade auf dem Felde aus dem Wagen; Glumdalclitch setzte meine Reiseschachtel auf den Boden und ich ging heraus, um ein wenig umherzuspazieren. Auf dem Fußwege lag ein Haufen Kuhdünger, und ich konnte es nicht lassen meine Behendigkeit, durch einen Versuch darüber wegzuspringen, den Damen zu zeigen. Ich nahm einen Anlauf, sprang aber unglücklicherweise zu kurz und fiel gerade in die Mitte bis über meine Knie hinein. Mit einiger Schwierigkeit watete ich wieder heraus und ein Bedienter mußte mich mit einem Handtuche abwischen, denn ich war furchtbar mit Koth beschmiert. Meine Wärterin schloß mich in meine Schachtel bis wir wieder nach Hause kehrten; die Königin aber erfuhr den Vorgang in Kurzem und der Bediente verbreitete ihn bei dem ganzen Hofe so, daß die heitere Laune desselben mehrere Tage lang ausschließlich auf meine Kosten fortdauerte.
Sechstes Kapitel.
Mehrere Erfindungen des Verfassers, um dem Könige und der Königin Vergnügen zu machen. Er zeigt seine Geschicklichkeit in der Musik. Der König erkundigt sich nach dem Zustand von England, worüber ihm der Verfasser berichtet. Des Königs Bemerkungen hierüber.
Ich pflegte einmal oder zweimal wöchentlich mich beim Lever des Königs einzufinden, und hatte ihn schon öfter unter den Händen des Barbiers gesehen, ein Anblick, der mir zuerst wirklich im höchsten Grade furchtbar war, denn das Rasiermesser war noch zweimal so lang als eine gewöhnliche Sense. Einmal vermochte ich es über den Barbier, daß er mir etwas von dem abrasirten Seifenschaum gab, woraus ich vierzig oder fünfzig der stärksten Haarstumpfe hervorsuchte. Alsdann nahm ich ein Stück feinen Holzes und schnitt dies wie den Rücken eines Kammes zu, und machte, so gut es ging, kleine Löcher mit einer Nadel, die mir Glumdalclitch gegeben, hinein. In diese nun steckte ich die Bartstumpfe mit solcher Kunst, indem ich sie mit meinem Messer an der Spitze abschabte und schräg zuspitzte, daß ich einen ziemlich erträglichen Kamm zu Stande brachte. Dies Werkzeug kam mir sehr zu Nutzen, denn der meinige war an den Spitzen bereits so zerbrochen, daß ich ihn beinahe nicht mehr gebrauchen konnte; auch kannte ich keinen so feinen und geschickten Künstler im ganzen Lande, daß derselbe im Stande gewesen wäre, mir einen neuen zu verfertigen.
Dies erinnert mich an ein Vergnügen, worin ich manche Mußestunde verbracht habe. Ich bat die Kammerfrau der Königin, mir die ausgekämmten Haare Ihrer Majestät aufzubewahren, und erlangte so allmählig eine ziemliche Masse derselben; alsdann hielt ich eine Berathung mit meinem Freunde, dem Schreiner, der eine allgemeine Bestellung für alle meine kleinen Möbeln erhalten hatte, und gab ihm den Auftrag, zwei Armstühle, nicht größer wie diejenigen, die in meiner Schachtel standen, zu verfertigen, und kleine Löcher mit einer seinen Ahle in die Stellen hineinzubohren, die ich ihm als Lehne und Sitz bezeichnete. In diese Löcher befestigte ich die stärksten Haare, die ich heraussuchen konnte,
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