Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gut gegen Nordwind

Gut gegen Nordwind

Titel: Gut gegen Nordwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Glattauer
Vom Netzwerk:
Sie ein bisschen mit Ihrer Herauslese-Sprachpsychologie.)
    Zehn Minuten später
    AW:
    Ich lese es aus der Art, wie Sie mir zu verstehen geben, dass Sie irgendwas von mir wollen. Was es ist, können Sie zwar erst sagen, wenn Sie mich kennen gelernt haben. Aber DASS Sie etwaswollen, ist unumstritten. Oder anders: Sie suchen etwas. Nennen wir es Abenteuer. Wer ein Abenteuer sucht, erlebt gerade keines. Stimmt’s?
     
    Eineinhalb Stunden später
    RE:
    Ja, ich suche etwas. Ich suche dringend einen Geistlichen, der mir erklärt, was es heißt, seinen Mann zu betrügen. Oder zumindest, wie sich das ein Geistlicher so vorstellt, ein Geistlicher, der selbst noch nie betrogen hat, weil ihm nicht nur diejenige Frau fehlt, mit der er seine Frau betrügen könnte, sondern auch diejenige Frau, die er betrügen könnte, sieht man von der Muttergottes ab. Leo, bitte machen Sie nicht auf »Dornenvögel«! Ich suche kein »Abenteuer« mit Ihnen. Ich will einfach nur sehen, wer Sie sind. Ich will meinem Mail-Vertrauten einmal in die Augen schauen. Wenn das für Sie »betrügen« heißt, dann bekenne ich mich dazu, eine potenzielle Betrügerin zu sein.
     
    20 Minuten später
    AW:
    Aber Ihrem Mann würden Sie sicherheitshalber trotzdem nichts davon erzählen.
     
    15 Minuten später
    RE:
    Leo, ich mag es nicht, wenn Sie so moralinsauer unterwegs sind! Seien Sie es von mir aus in eigener Angelegenheit, aber nicht in meiner. Glücklich verheiratet zu sein bedeutet nicht, dass man dem Partner einen täglichen Rechenschaftsbericht über jedes seiner Treffen abzuliefern hat. Damit würde ich Bernhard auch zu Tode langweilen.
     
    Zwei Minuten später
    AW:
    Also würden Sie Ihrem Bernhard nichts von unserem Treffen erzählen, weil Sie befürchteten, es würde ihn zu Tode langweilen?
     
    Drei Minuten später
    RE:
    Schon wie Sie »Ihrem Bernhard« schreiben, Leo! Ich kann nichts dafür, dass mein Mann auch einen Namen hat. Das heißt noch lange nicht, dass er mir gehört, dass er täglich 24 Stunden angekettet an meiner Seite verbringt, wo ich ihn ununterbrochen streichle und dazu regelmäßig »Mein Bernhard!« gluckse. Leo, ich glaube, Sie haben wirklich keine Ahnung von einer Ehe.
     
    Fünf Minuten später
    AW:
    Emmi, ich habe noch mit keinem einzigen Wort über Ehe gesprochen. Übrigens haben Sie meine letzte Frage nicht beantwortet. Aber wie sagten Sie kürzlich? – Eine ausweichende Antwort ist auch eine Antwort.
     
    Zehn Minuten später
    RE:
    Lieber Leo, schließen wir das ab. Auf die entscheidende Frage bleiben nämlich SIE mir die Antwort schuldig. Ich spreche sie aber gerne noch einmal aus: Leo, wollen Sie mich treffen? Wenn ja, dann tun Sie es! Wenn nein, dann verraten Sie mir, was das Ganze soll, wie es weitergehen soll beziehungsweise ob es überhaupt weitergehen soll.
     
    20 Minuten später
    AW:
    Warum können wir uns nicht schriftlich unterhalten, wie bisher?
     
    Zwei Minuten später
    RE:
    Ich fasse es nicht: Er will mich einfach nicht kennen lernen! LEO, Sie Unverbesserlicher, vielleicht bin ich die Blonde mit dem großen Busen!!!
     
    30 Sekunden später
    AW:
    Was hätte ich davon?
     
    20 Sekunden später
    RE:
    Sie könnten hinstarren.
     
    35 Sekunden später
    AW:
    Und das würde Ihnen gefallen?
     
    25 Sekunden später
    RE:
    Mir nicht, aber Ihnen! Das gefällt jedem Mann, vor allem denen, die es nicht zugeben.
     
    50 Sekunden später
    AW:
    Solche Dialoge gefallen mir viel besser.
     
    30 Sekunden später
    RE:
    Aha, also doch ein verklemmter Verbalerotiker.
     
    Drei Minuten später
    AW:
    Das war ein gutes Schlusswort, Emmi. Ich muss dann leider außer Haus. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Abend.
     
    Vier Minuten später
    RE:
    Das waren heute 28 E-Mails zwischen uns beiden, Leo. Was ist dabei herausgekommen? Nichts. Was ist Ihr Motto? – Die Unverbindlichkeit. Was ist Ihr Schlusswort? – Sie wünschen mir einen »angenehmen Abend«. Da sind wir etwa auf der Stufe von »Frohe Weihnachten und ein gutes neue Jahr wünscht Emmi Rothner«. Kurzum: Wir sind uns in hundert E-Mails und einem professionell durchgezogenen Nur-ja-nicht-Kennenlern-Treffen keinen Millimeter näher gekommen. Was unsere »innige Unbekanntschaft« aufrechthält, ist einzig der horrende Aufwand, den wir dafür betrieben haben und betreiben. Leo. Leo. Leo. Schade. Schade. Schade.
     
    Eine Minute später
    AW:
    Wenn ich Ihnen einen Tag keine einzige E-Mail schicke, beschweren Sie sich. Und wenn ich Ihnen innerhalb von fünf Stunden 14 E-Mails

Weitere Kostenlose Bücher