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Gut gegen Nordwind

Gut gegen Nordwind

Titel: Gut gegen Nordwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Glattauer
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nicht böse, dass ich Sie »versetzt« habe. Ich dachte mir auch: Leo, warum musst du da eine Frau mit hineinziehen, die überhaupt nichts mit deiner vergangenen Geschichte zu tun hat? Und dann wollte ich auch nicht, dass Sie mich so sehen, wie ich derzeit anzusehen bin. Ich will, dass Sie mich in einer besseren Verfassung zu Gesicht bekommen. Ich hoffe, Sie verstehen mich, Emmi. Ich danke Ihnen noch einmal, dass Sie für mich da gewesen wären. Das war ein ganz großer Vertrauensbeweis. Alles Liebe, Leo.
     
    Drei Stunden später
    RE:
    Ist schon okay. Lg, Emmi.
     
    Fünf Minuten später
    AW:
    Nein, gar nichts ist schon okay, so wie Sie »Ist schon okay« schreiben! Also was ist es, Emmi? Fühlen Sie sich durch meineAbsage in der Ehre gekränkt? Kommen Sie sich von mir benutzt (und dann eben doch nicht gebraucht) vor?
     
    Zweieinhalb Stunden später
    RE:
    Nein, nein, Leo. Ich bin nur sehr beschäftigt und deshalb so kurz angebunden.
     
    Acht Minuten später
    AW:
    Das glaube ich Ihnen nicht. Ich kenne Sie, Emmi. In gewisser Hinsicht kenne ich Sie. Seltsamerweise entwickle ich ein schlechtes Gewissen allein aufgrund der Vorstellung, Sie könnten auf mich beleidigt sein, wobei Sie selbst am allerbesten wissen, dass Sie absolut kein Recht dazu hätten.
     
    Vier Minuten später
    RE:
    Reden Sie nicht herum, lieber Leo: Waren Sie wenigstens erfolgreich beim Trösten? Läuft wieder etwas mit Marlene?
     
    Acht Minuten später
    AW:
    Ach, das ist es! Ja, natürlich! Leo Leike wagt es, nach dem Begräbnis der Mutter seine Exfreundin zu treffen. Emmi Rothner, die sonst keine Mühen scheut, Herrn Leike als Moraltheologen hinzustellen, wittert plötzlich den sittlichen Verfall. Da kann ich gleich noch eines drauflegen, liebe Emmi. Ich verrate Ihnen, dass ich sechs Stunden nach dem Begräbnis meiner Mutter um ein Haar mit meiner Exfreundin geschlafen hätte. Ich hoffe, Sie sind entsprechend schockiert! Guten Abend.
     
    Drei Minuten später
    RE:
    Erklären Sie mir, wie man mit jemandem »um ein Haar« geschlafenhaben kann. Und vor allem: Warum man es dann »um ein Haar« doch nicht getan hat. Ich bin überzeugt davon: Das schaffen nur Männer. Vermutlich hatten Sie geglaubt, Sie könnten Ihre angeschlagene Exfreundin »ins Bett trösten«. Aber knapp vorher hat sie es bemerkt und hat Ihnen ins Ohr geflüstert: »Leo, nein, das wäre jetzt nicht gut für uns. Das würde das ganze Vertrauen, das wir heute Abend neu aufgebaut haben, wieder zerstören.« Und Sie dachten: Schade, schade, um ein Haar ...
     
    15 Minuten später
    AW:
    Wissen Sie, liebe Emmi, ich finde es schon sensationell, mit welcher Selbstverständlichkeit und Hartnäckigkeit Sie mir Erklärungen abringen wollen, in privaten Angelegenheiten, die kilometerweit davon entfernt sind, Sie etwas anzugehen. Und mit welcher Treffsicherheit Sie zum unglücklichsten aller Zeitpunkte Ihre Geschmacklosigkeiten von sich geben, mit denen Sie andere Menschen darauf zu reduzieren trachten, was Ihnen selbst offenbar immer gleich als Erstes einfällt: Sex. Sex. Sex. Da frage ich mich auch schön langsam, warum das bei Ihnen so ist.
     
    Acht Minuten später
    RE:
    Lieber Leo, bei allem Respekt vor Ihrer Trauer: Wer hat damit geprahlt, dass er mit wem »um ein Haar« geschlafen hätte? Sie oder ich? Leo, es tut mir Leid, ich habe solche Ums-Haar-SchlafSzenen plastisch vor mir. Ich habe so etwas früher zu oft selbst erlebt, und ich habe zu viele Freundinnen, die es noch immer ständig erleben – und darunter leiden. Sollte bei Ihnen und Marlene alles ganz anders gewesen sein, so verzeihen Sie mir bitte. Im Übrigen sollte ein Mann mit Ihrer Sensibilität schon wissen, dass sich eine Frau mit meiner Sensibilität bei einer derartigen »Exfreundin-motivierten« Absage in letzter Minute empfindlich zurückgewiesen fühlen muss. Ja, Leo, ich fühlemich von Ihnen derb zurückgewiesen. Ich bin einfach nicht irgendwer, auch nicht für Sie. Hochachtungsvoll, Emmi.
     
    Am nächsten Tag
    Betreff: Emmi
    Nein, Emmi Sie sind nicht irgendwer. Wenn irgendwer nicht irgendwer ist, dann sind es Sie. Schon gar nicht für mich. Sie sind wie eine zweite Stimme in mir, die mich durch den Alltag begleitet. Sie haben aus meinem inneren Monolog einen Dialog gemacht. Sie bereichern mein Innenleben. Sie hinterfragen, insistieren, parodieren, Sie treten in Widerstreit zu mir. Ich bin Ihnen so dankbar für Ihren Witz, für Ihren Charme, für Ihre Lebendigkeit, ja selbst für Ihre »Geschmacklosigkeiten«.
    Aber

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