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Gut gegen Nordwind

Gut gegen Nordwind

Titel: Gut gegen Nordwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Glattauer
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hätten. So macht das der Leo! Ein anderer hätte gesagt: »Emmi, manchmal denke ich erotisch an Sie!« Leo Leike sagt: »Emmi, es ist nicht so, dass ich niemals erotisch an Sie denke.« Und da wundern Sie sich, dass ich von dem Themanicht wegkomme? Nicht ich bin pathologisch, sondern Sie benehmen sich verbalerotisch verhaltensoriginell, lieber Leo! Kurzum: Ich nehme Ihnen Ihre abgehobenen pastoralgeistigen Sexualbetrachtungen nicht ab. Denn was macht der gute Leo mit seinen doppelt verneinten erotischen Vorstellungen? Zitat: »Die halte ich behutsam von Ihnen fern, die will ich Ihnen nicht zumuten.« Will er mir nicht zumuten? Da fragt sich die Emmi schon, was das wohl für unzumutbare Vorstellungen sein mögen. Erzähle er mir ruhig mehr davon.
     
    20 Minuten später
    RE:
    Ach ja, noch etwas, Meister Leo. Sie schrieben gestern: »Wir dürfen nicht beginnen, in die Privatsphäre des anderen einzudringen.« Ich sage Ihnen etwas: Was wir hier tun, worüber wir hier reden, ist Privatsphäre, Privatsphäre und nichts als Privatsphäre, von den ersten E-Mails an in steter Steigerung bis heute. Wir schreiben nichts über unsere Jobs, wir verraten keine Interessen, nennen nicht einmal Hobbys, tun so, als gäbe es keine Kultur, verheimlichen die Politik, ja wir kommen sogar weitgehend ohne Wetterstimmungsberichte aus. Das Einzige, was wir tun und was uns alles andere vergessen macht: Wir dringen in unsere Privatsphären ein, Sie in meine, ich in Ihre. Privatsphärisch eingedrungener geht es gar nicht mehr. Sie sollten sich langsam dazu bekennen, mit mir »privatsphärisch intim« zu sein, und zwar ausnahmsweise in einer völlig anderen Bedeutung, als es meinem vermeintlichen Lieblingsthema entsprechen möge. Ich würde sogar sagen: weit darüber hinausgehend. Schönen Abend, Emmi.
     
    Eineinhalb Stunden später
    AW:
    Liebe Emmi, wissen Sie, was ICH an Ihnen wirklich verabscheue? – Ihr ständiges »Herr Leo«, »Meister Leo«, »Professor Leo«, »Der Herr Sprachpsychologe«, »Der Herr Moraltheologe«.
    Tun Sie mir einen Gefallen. Belassen Sie es bei »Leo«. Ihre sarkastischen Botschaften kommen auch so stets gut, scharf und treffsicher an. Ich danke für Ihr Verständnis! Leo.
     
    Zehn Minuten später
    RE:
    Bäääh! Heute mag ich Sie nicht!
     
    Eine Minute später
    AW:
    Ich mich auch nicht.
     
    30 Sekunden später
    RE:
    Das war jetzt, zugegeben, wieder recht lieb von Ihnen!
     
    20 Sekunden später
    AW:
    Danke.
     
    15 Sekunden später
    RE:
    Gern.
     
    Eineinhalb Stunden später
    AW:
    Schlafen Sie schon?
     
    Drei Minuten später
    RE:
    Selten vor Ihnen. Gute Nacht!
     
    30 Sekunden später
    AW:
    Gute Nacht.
     
    40 Sekunden später
    RE:
    Müssen Sie viel an Ihre Mutter denken? Ich würde Ihnen gern ein bisschen davon abnehmen.
     
    30 Sekunden später
    AW:
    Das haben Sie gerade getan, liebe Emmi. Gute Nacht.

KAPITEL VIER

Drei Tage später
    Betreff: Pause aus!
    Liebe Emmi, wir haben drei Tage E-Mail-Pause gemacht. Jetzt könnten wir dann langsam wieder, finde ich. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Arbeitstag. Ich denke viel an Sie, in der Früh, zu Mittag, am Abend, in der Nacht, in den Zeiten dazwischen und jeweils knapp davor und danach – und auch währenddessen. Alles Liebe, Leo.
     
    Zehn Minuten später
    RE:
    M. (Me, Mei, Meis, Meist ...) Lieber Leo. SIE haben E-Mail-Pause gemacht, nicht ich! Ich habe Sie angestrengt dabei beobachtet, wie Sie E-Mail-Pause gemacht haben. Und ich habe darauf gewartet, dass Sie die E-Mail-Pause endlich beenden. Ich habe sehr ungeduldig darauf gewartet. Aber es hat sich ausgezahlt. Da sind Sie wieder, und Sie denken an mich, schön! Geht’s Ihnen gut? Haben Sie heute spätabends oder frühnachts Zeit und Lust, mit mir ein Glas Wein zu trinken? Selbstverständlich getrennt. Also Sie und die FantasieEmmi. Und ich und der Virtuell-Leo. Und dazu schreiben wir uns ein paar Worte. Wollen Sie?
     
    Acht Minuten später
    AW:
    Ja, Emmi, das können wir machen. Ist Ihr B. (Be, Ber, Bern, Bernh...), ist Ihr Mann abends nicht da?
     
    Drei Minuten später
    RE:
    Solche Fragen machen Ihnen Spaß, stimmt’s? Es klingt immer ein bisschen so, als wollten Sie mich dafür bestrafen, dass ich glücklich verheiratet bin. – Doch, Bernhard ist da. Er sitzt entweder in seinem Bürozimmer und bereitet sich auf den nächsten Tag vor. Oder er sitzt auf seinem Sofa und liest. Oder er liegtin seinem Bett und schläft. Ab Mitternacht meistens das Dritte. Ausreichend beantwortet?
     
    Sechs Minuten

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