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Gut gegen Nordwind

Gut gegen Nordwind

Titel: Gut gegen Nordwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Glattauer
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melden ist unfair! Und es ist abtörnend. Das riecht nach einem Mann, der in der Früh schon nicht mehr zu dem steht, was er einer Frau in der Nacht davor liebestrunken ins Ohr geflüstert hat. Es riecht also nach einem ziemlich typischen, ziemlich durchschnittlichen, ziemlich öden Mann. Es riecht jedenfalls nicht nach Leo. Also schreiben Sie endlich!!!
     
    Fünf Stunden später
    AW:
    Liebe Emmi, es ist jetzt 22 Uhr. Wollen Sie zu mir kommen? Ich zahle Ihnen das Taxi. (Ich wohne am Stadtrand.) Leo.
     
    Knapp zwei Stunden später
    RE:
    Na hoppala! Lieber Leo, es ist jetzt 23 Uhr 43. Träumen Sie noch oder schlafen Sie schon? Wenn nicht, dann frage ich Sie: Wollten Sie wirklich, dass ich zu Ihnen komme?
    Wollen Sie noch immer, dass ich zu Ihnen komme?
    Sind Sie vielleicht wieder »ein bisschen betrunken«?
    Wenn ich zu Ihnen komme, was hätten Sie sich da so vorgestellt, dass wir beide machen?
     
    Fünf Minuten später
    AW:
    Liebe Emmi,
    1.) Ja. 2.) Ja. 3.) Nein. 4.) Was sich ergibt.
     
    Drei Minuten später
    RE:
    Lieber Leo,
    1.) Aha. 2.) Aha. 3.) Gut. 4.) Was sich ergibt? Es ergibt sich immer das, was man will, dass sich ergibt. Also was wollen Sie, dass sich ergibt?
     
    50 Sekunden später
    AW:
    Ich weiß es wirklich nicht, Emmi. Aber ich glaube, wir wissen es sofort, wenn wir uns sehen.
     
    Zwei Minuten später
    RE:
    Und wenn sich gar nichts ergibt? Dann stehen wir beide blöd herum, zucken mit den Schultern und einer sagt zum anderen: »Tut mir Leid, irgendwie ergibt sich nichts.« Und was machen wir dann?
     
    Eine Minute später
    AW:
    Dieses Risiko müssen wir in Kauf nehmen. Also kommen Sie, Emmi! Trauen Sie sich! Trauen wir uns! Vertrauen wir auf uns!
     
    25 Minuten später
    RE:
    Lieber Leo, Ihre ungewohnte Dringlichkeit, die sonst nicht gerade Ihrem Wesen entspricht, irritiert mich. Ich habe da so einen Verdacht. Ich glaube, dass Sie ganz genau wissen, was sich gefälligst zu ergeben hat. Sie sind vermutlich noch ein bisschen rauschig von der Vornacht, also unheimlich »in Stimmung«. Sie suchen Nähe. Sie wollen Marlene vergessen beziehungsweise vergessen machen. Und Sie haben genügend Bücher dieser Art gelesen und einschlägige Filmszenen gesehen, letzte Tangos mit Marlon Brandos und so. Leo, diese Szenen kenne ich auch: ER sieht SIE zum ersten Mal, möglichst im Halbdunkel, damit auch das schön ist, was vielleicht nicht so schön ist. Und dann fällt kein einziges Wort mehr, nur noch Gewand. Wie knapp vorm Verhungern fallen sie übereinander her, sparen nichts aus, wälzen sich stundenlang über die Wohnlandschaften. Kameraschnitt. Das nächste Bild: Er liegt auf dem Rücken, über seine Lippen huscht ein frivoles Lächeln, die Augen ruhen im lasziven Blick auf die Zimmerdecke, als wollte er auch diese noch vernaschen. Sie liegt mit dem Kopf auf seiner Brust. Befriedigt wie eine Hirschkuh nach dem Durchzug eines Rudels brunftiger Böcke. Vielleicht bläst noch einer der beiden Zigarettenrauch durch die Nasenlöcher. Und dann wird dezent ausgeblendet. Und was ist danach? Das würde mich am allermeisten interessieren: Was ist danach???
    Leo, so geht’s nicht. Da ist mit Ihnen ausnahmsweise der Klischee-Mann durchgegangen. Ja natürlich, das wäre alles noch steigerbar. Die von Ihnen gestern im Rausch frei gewordene »Augenbinde«. – Wir müssten uns also nicht einmal sehen. Sie öffnen mir blind die Tür. Wir fallen uns blind in die Arme. Wirhaben blinden Sex. Wir verabschieden uns blind. Und morgen schreiben Sie mir wieder bigotte E-Mails übers Nichtbetrügensollen und ich schreibe Ihnen rotzig zurück wie immer. Und wenn’s in der Nacht gut war, dann machen wir es wieder, völlig herausgelöst aus unserem sonstigen Leben, völlig unabhängig von unserem Dialog. Sex in seiner höchsten Stufe absoluter Unverbindlichkeit. Es gibt nichts zu verlieren, nichts wird aufs Spiel gesetzt. Sie haben Ihre »Nähe«, ich habe mein außereheliches Abenteuer. – Zugegeben, ein aufregender Gedanke. Aber schon auch ein bisschen eine Männerfantasie, muss ich Ihnen sagen, lieber Leo. Jedenfalls sollten wir die Finger davon lassen. Oder, um es noch etwas klarer zu formulieren: Nicht mit mir! (Ich habe das ganz zart gesagt, ehrlich!)
    15 Minuten später
    AW:
    Und wenn ich Ihnen einfach nur gerne ein paar Kinderfotos von mir gezeigt hätte? Und wenn ich mit Ihnen nur gerne ein Glas Whiskey oder Wodka sauer getrunken hätte – auf unser Wohl und auf unsere Pionierleistung, uns endlich zu sehen? Und wenn ich

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