Gut gegen Nordwind
genieße Ihre E-Mails. Ich bin wirklich dankbar dafür. Richten Sie Ihren Möbeln aus, dass ich ihre Haltung bewundere und ihren Teamgeist schätze. Ich werde kein Eindringling im Hause Rothner sein, die Emmi okkupiere ich nur auf dem Bildschirm! Besonderes Kompliment an den Weinschrank: Vielleicht legen wir drei wieder einmalein Mitternachts-Happening ein. (Ich verspreche, nicht wieder so ergiebig vorzutrinken.) Besonders entzückend finde ich, dass Sie mit dem Gedanken spielen, mich zu verkuppeln. Welche Frauen mir gefallen? Frauen, die so aussehen, wie Sie schreiben, Emmi. Und Frauen, bei denen ich die Chance wittere, auch einmal Innenwelt zu sein, nicht nur Außenwelt. Kurzum Frauen, die nicht unbedingt bereits »glücklich verheiratet« sind, in eine Familienfestung eingebunden sind und von den Möbeln ihrer Wohnungen bewacht werden. Bis mir so eine über den Weg läuft, komme ich gerne auf Ihr Angebot zurück, bewusst an Sie zu denken, bevor ich an Marlene denke. – Wird mir nicht immer gelingen, aber wenn Sie mich weiter so mit E-Mails verwöhnen, werde ich mich dem Ziel sukzessive annähern.
Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Abend. Ich treffe heute noch meine Schwester Adrienne. Sie wird sich für mich freuen, dass ich mich von Marlene wieder einmal erfolgreich getrennt habe. Und sie wird sich freuen, dass ich mit Ihnen noch in Kontakt bin. Sie kennt nur ein paar Zeilen aus Ihren Texten, meine Worte über Sie – und drei Emmi-Kandidatinnen. Sie mag Sie, egal, welche der drei Sie sind. Sie sieht das so wie ihr Bruder.
Am nächsten Tag
Betreff: Mia!
Hallo Leo, in der Nacht habe ich sie gefunden. Natürlich: Mia! Das ist sie! Leo und Mia – wie das schon klingt! Hören Sie zu, Leo: Mia ist 34, bildhübsch, Sportpädagogin, lange Beine, super Figur, kein Gramm Fett zu viel, dunkler Teint, schwarze Haare. Einziger Nachteil: Vegetarierin, aber man muss immer nur sagen, »das ist Tofu«, dann isst sie auch Fleisch. Sie ist sehr belesen, hochintelligent, unternehmungslustig, fröhlich, immer gut drauf. Kurzum, eine Traumfrau. Und: Sie ist Single! Soll ich Sie beide bekannt machen?
Eineinhalb Stunden später
AW:
Emmi, Emmi, Emmi! Über solche langbeinigen »Mias« weiß ich Bescheid. Praktisch jede Woche stellt mir meine kleine Schwester eine neue vor. Ich kenne Modekataloge voll mit 0,0 Prozent fetten Models à la »Mia«, eine schöner und langbeiniger als die andere. Und alle sind sie Singles. Und wissen Sie warum, liebe Emmi? – Weil sie es gerne sind! Und weil sie es noch eine Weile bleiben wollen.
Außerdem: Ich will Sie ja nicht bremsen in Ihrer Euphorie, liebe Außenwelt-Emmi. Aber mir ist derzeit eigentlich gar nicht danach, eine Traum-Mia kennen zu lernen. Ich bin sehr zufrieden so, wie ich lebe. Trotzdem danke für Ihre Bemühungen!
Übrigens: Liebe Grüße von meiner Schwester. Sie sagt, dass ich nur ja nicht den Fehler machen darf, Sie zu treffen. Sie sagt wörtlich: »Ein Treffen wäre das Ende eurer Beziehung. Und diese Beziehung tut dir wahnsinnig gut!« Schönen Tag, Leo.
Zwei Stunden später
RE:
Okay, Leo, unser Treffen kann warten, an diesen Gedanken habe ich mich schon gewöhnt. – Sie machen noch einen geduldigen Menschen aus mir! Freut mich ganz besonders, wie Ihre Schwester über uns denkt. Aber warum ist sie so sicher, dass eine Begegnung unsere »Beziehung« beenden würde? Meint sie: beendet von Ihnen oder von mir?
Und noch etwas, Leo: Sie haben in Ihrer gestrigen Abend-EMail wieder einmal meinen Zustand »glücklich verheiratet« erwähnt. Warum haben Sie »glücklich verheiratet« unter Anführungszeichen gesetzt? Das erweckt den Anschein, als wollten Sie etwas Phrasenhaftes daraus machen, mit so einer leicht spöttischen Note. Wissen Sie, was ich meine?
Aber nun zu Mia, da haben Sie mich komplett falsch verstanden. Das ist nicht so eine plakative Schönheit aus dem Modemagazin. Mia ist eine echte Klassefrau. Und sie ist absolut ungewolltin ein Single-Dasein geschlittert. Ein typischer Fall von Beziehungsfehlsteuerung in jungen Jahren. Man lernt mit neunzehn einen Mann kennen, außen ein Adonis, ein Testosteron-Paket, ein richtig praller Sex-Koffer. Innen: hohl, vor allem in der Gehirngegend. Zwei aufwühlende Jahre des Wartens und Hoffens vergehen, bis er endlich den Mund aufmacht. Dann ist der Zauber vorbei. Dann ist man 21 – und lernt natürlich sofort wieder so eine schön verpackte Schachtel kennen. Und man denkt: Diesmal muss aber mehr drinnen sein.
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