Gut gegen Nordwind
heißen?
55 Sekunden später
RE:
Leo, Sie jammern, jammern, jammern, jammern, jammern. Malen schwarz, malen schwarz, malen schwarz, malen schwarz.
25 Sekunden später
AW:
Malen schwarz.
40 Sekunden später
RE:
???
Eineinhalb Minuten später
AW:
Malen schwarz. (Eines haben Sie vergessen, fünfmal »jammern«, fünfmal »schwarz malen«. Oder viermal »jammern«, viermal »schwarz malen«, dann war ein »jammern« zu viel.)
Zwei Minuten später
RE:
Gut beobachtet, schön herausgearbeitet. Typisch Leo, ein bisschen krankhaft zwänglerisch, aber auf liebevolle Weise aufmerksamund korrekt. Und dazu möchte ich gern Ihre Augen sehen, Ihre echten Augen! Gute Nacht. Träumen Sie von mir! Und schauen Sie mich dabei vielleicht einmal an!
Drei Minuten später
AW:
Gute Nacht, Emmi. Tut mir Leid, ich bin so, wie ich bin, so, wie ich bin, so, wie ich bin.
Zwei Tage später
Betreff: Treffen »light«
Schönen Nachmittag, Emmi. Sind Sie (noch immer) beleidigt oder trinken wir heute Nacht wieder einmal ein paar Gläser Wein miteinander? Erwartungsvoll, Ihr Leo.
Eineinhalb Stunden später
RE:
Hallo Leo, heute Abend treffe ich mich »real« mit Mia. Wir haben uns vorgenommen, es »wie in alten Zeiten« anzugehen und in der letzten noch offenen Bar ausklingen, um nicht zu sagen ausufern zu lassen. Das heißt: Es kann locker fünf Uhr früh werden.
16 Minuten später
AW:
Alles klar. Ja, das gehört ausgenützt, wenn die Familie einmal außer Haus ist. Lassen Sie Mia von mir grüßen. Und schönen Abend.
Acht Minuten später
RE:
Das sind die wenigen Mails, wo ich lieber gar nicht wissen möchte, wie Sie dabei aussehen, wenn Sie so was schreiben. (Übrigens: Sie haben eine ziemlich biedere Vorstellung von einer Familie oder zumindest – von meiner Familie. Um bis fünfUhr früh unterwegs zu sein, muss ich keineswegs warten, bis die Familie außer Haus ist. Ich kann das auch sonst tun, wann immer es mir beliebt.)
Drei Minuten später
AW:
Und mich könnten Sie auch treffen, wann immer es Ihnen beliebt? Egal ob Bernhard eine Woche mit den Kindern weit weg in den Bergen ist oder ob er daheim im Nebenzimmer verweilt (und jederzeit zu Besuch in Ihrem Zimmer auftauchen könnte)?
20 Minuten später
RE:
LEO, ENDLICH IST ES HERAUS!!! Sie hätten sich Ihren vorgestrigen dunkelgrauen Salm über die erschütternde, Spiegelbilder zerreißende Erstbegegnung zwischen uns sparen können. Das ist nämlich gar nicht Ihr Problem. Ihr Problem heißt Bernhard. Sie sind sich zu gut, der Zweite nach ihm zu sein. Sie wollen mich nicht treffen, weil Sie mich rein theoretisch gar nicht »kriegen« können, ganz egal, ob Sie das dann praktisch tatsächlich wollen oder nicht. Per E-Mail haben Sie mich ganz für sich allein, und in dieser Form kommen Sie mit mir ja blendend zurecht, da können Sie ganz nach Belieben von Distanz auf Nähe schalten und wieder zurück. Stimmt’s?
45 Minuten später
AW:
Emmi, Sie haben meine Frage nicht beantwortet. Würden Sie mich auch treffen (wollen), wenn Ihr Mann daheim im Nebenzimmer sitzt? Und (Zusatzfrage): Was würden Sie ihm sagen? Vielleicht: »Du, Schatz, ich treffe heute Abend einen Mann, mit dem ich seit einem Jahr korrespondiere, meistens täglich mehrmals, von ›Guten Morgen‹ bis ›Gute Nacht‹. Oft ist er der Erste am Tag, der etwas von mir erfährt. Oft ist er der Letzte, dem ich noch etwas mitteile, bevor ich mich schlafen lege. Und in derNacht, wenn ich nicht einschlafen kann, wenn der Nordwind bläst, dann komme ich nicht zur dir, Schatz. Nein, dann schreibe ich diesem Mann eine E-Mail. Und er schreibt mir zurück. Der Typ tut nämlich verdammt gut gegen Nordwind in meinem Kopf. Was wir uns so schreiben? Ach, nur Persönliches, nur über uns, wie das so wäre mit uns, wenn ich dich nicht hätte, Schatz, dich und die Kinder. Ja, und wie gesagt, heute Abend treffe ich ihn ...«
Fünf Minuten später
RE:
Ich sage niemals »Schatz« zu meinem Mann.
50 Sekunden später
AW:
Oh, Verzeihung, Emmi, Sie sagen natürlich: Bernhard. Das klingt respektvoller.
Vier Minuten später
RE:
Leo, nicht böse sein, Sie haben eine jämmerliche Vorstellung von einer gut funktionierenden Ehe. Wissen Sie, was ich zu Bernhard sage, wenn ich Sie abends treffen will? Ich sage: »Bernhard, ich gehe heute Abend fort. Ich treffe einen Freund. Es kann spät werden.« Und wissen Sie, was Bernhard darauf erwidern würde? »Viel Spaß,
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