Gut gegen Nordwind
aufgeregt.
Zwei Minuten später
AW:
Und wenn Ihnen meine Stimme nicht gefällt? Wenn Sie erschüttert sind? Wenn Sie sich denken: So hat der Typ die ganzeZeit mit mir gesprochen? (Sehr zum Wohle! Ich trinke französischen Landwein.)
Eineinhalb Minuten später
RE:
Und umgekehrt? Wenn Sie meine Stimme nicht mögen? Wenn es Ihnen dabei die Zehennägel aufstellt? Wenn Sie sich mit mir danach gar nicht mehr unterhalten wollen? (Gin gin! Ich trinke Whiskey, wenn es erlaubt ist. Ich bin zu nervös für Wein.)
Zwei Minuten später
AW:
Nehmen wir die beiden soeben gesandten E-Mails. Einverstanden?
Drei Minuten später
RE:
Das sind aber schwierige E-Mails, die bestehen fast nur aus Fragen. Fragen sind schwer zu sprechen, wenn man das erste Mal zu jemandem spricht. Überhaupt für Frauen. Frauen sind bei Fragen stimmlich benachteiligt, weil sie beim Satzende mit der Stimme hinaufgehen müssen, also in noch höhere Lagen gezwungen werden. Wenn sie noch dazu nervös sind, dann könnten Gluckslaute herauskommen. Verstehen Sie, was ich meine? Gluckslaute klingen dämlich.
Eine Minute später
AW:
EMMI, WIR FANGEN JETZT AN! Ich spreche zuerst. In fünf Minuten sprechen Sie. Wenn wir fertig gesprochen haben, mailen wir uns. Und ERST DANACH hören wir uns die Bänder an. Alles klar?
30 Sekunden später
RE:
Halt!!! Ihre Telefonnummer, wenn ich bitten darf!
35 Sekunden später
AW:
Oh, Verzeihung. 4520737. Also, ich beginne jetzt.
Neun Minuten später
AW:
Bin schon fertig. Jetzt Sie!
Sieben Minuten später
RE:
Fertig! Wer hört es sich zuerst an?
50 Sekunden später
AW:
Beide gleichzeitig.
40 Sekunden später
RE:
Okay, danach melden wir uns.
14 Minuten später
RE:
Leo, warum melden Sie sich nicht? Wenn Ihnen meine Stimme nicht gefällt, können Sie es mir ruhig ins Gesicht (Mailbox) sagen. Ich finde, ich war in der Auswahl der E-Mails als Frau eklatant benachteiligt. Und das kratzende Nebengeräusch in meiner Stimme stammt nicht von mir, sondern vom Whiskey. Wenn Sie sich nicht sofort melden, trinke ich die ganze Flasche aus! Und bei einer Alkoholvergiftung verrechne ich Ihnen die Spitalskosten!
Zwei Minuten später
AW:
Emmi, ich bin sprachlos. Ich meine: Ich bin erstaunt. Ich habe Sie mir ganz anders vorgestellt. Sagen Sie: Sprechen Sie wirklich immer so? Oder haben Sie Ihre Stimme verstellt?
45 Sekunden später
RE:
Wie spreche ich?
Eine Minute später
AW:
Wahnsinnig erotisch! Wie eine Moderatorin einer KuschelsexSendung.
Sieben Minuten später
RE:
Das klingt nett, damit kann ich leben! Sie sind aber auch nicht gerade schwach. Sie sprechen viel verwegener, als Sie schreiben. Sie haben eine richtig rauchige Stimme. Meine Lieblingspassage ist: »So hat der Typ die ganze Zeit mit mir gesprochen?« Vor allem die Worte: »Typ« und »gesprochen«. Bei »Typ« ist es das »Y«. Ihr »Y« ist wirklich sensationell, kein Ü und kein I, eigentlich überhaupt kein Laut. Eher ein Raunen, ein Hauchen, so, als würden Sie den Rauch eines Joints zwischen den Zähnen herauslassen. Leider verwendet man viel zu selten ein Ypsilon, nicht wahr? Aber Sie sollten sich, wo es nur geht, auf Worte mit »Y« verlegen! Bei »gesprochen« ist es das »Spro«, das sagen Sie unglaublich verrucht, richtig sexy, wie eine Herausforderung zum ... egal wozu, jedenfalls eine Herausforderung, die man annimmt. »Spro«, wie Sie es sprechen, könnte der Name einer neuen Potenzpille sein. Spro statt Viagra, nach akustischer Vorlage von Leo Leike, das käme echt gut.
Vier Minuten später
AW:
Mich verblüfft am meisten, wie Sie »Zehennägel« aussprechen, Emmi. So ein anmutiges, sanftes, dunkles, klares »Zehennägel« habe ich noch nie gehört und hätte ich Ihnen auch niemals zugetraut. Kein Kreischen, kein Gurgeln, kein Krähen. Ein richtig schönes, weiches, elegantes, geschmeidiges, samtfüßiges »Zehennägel«. Und: »Whiskey«, ja das hört sich auch sehr edel an. Das »Wh« – wie ein zum Schwingen gebrachtes Seil. Das »Key« wie ein Schlüssel zu Ihrem ... hmm ... Schlafzimmer. (Meine Flasche Rotwein geht dem Ende zu, merken Sie es?)
Eine Minute später
RE:
Leo, trinken Sie weiter! Ich liebe es, wenn Sie etwas getrunken haben. Das in Kombination mit Ihrer Stimme stimmt mich einigermaßen ...
20 Minuten später
RE:
Leo, wo sind Sie geblieben?
Zehn Minuten später
AW:
Moment. Ich mache nur noch eine Flasche Rotwein auf. Der französische
Weitere Kostenlose Bücher