Gut geküsst ist halb gewonnen: Roman (German Edition)
in der Lage, sich eine gewisse Perspektive und Distanz zu bewahren. Die Arbeit nicht mit nach Hause zu nehmen – außer diesmal. Breathless musste aufgehalten werden, bevor sie wieder tötete.
Quinn hatte von Natur aus das Talent, einen Schritt zurückzutreten und das Gesamtbild zu betrachten, doch diesmal gab es einfach nichts zu sehen. Es gab nur wenige Spuren, tatsächlich unvereinbare Indizien, und die zusammenhangslosen Beweise stellten sich als genau das heraus. Zusammenhangslos.
Dieser Fall raubte ihm den Schlaf. Die Frage nach dem
Wer und Warum schwirrte ihm durch den Kopf, ohne dass dabei irgendetwas herauskam. Wer Breathless auch war, schlau war sie. Und wenn es etwas gab, das Quinn mehr hasste als alles andere, dann von Verbrechern aufs Kreuz gelegt zu werden. Ob nun von einer Frau oder sonstwie.
Was seine Gedanken auf Lucy Rothschild lenkte. Er war ein Cop. Ausgebildet, um an der Körpersprache eines Menschen zu erkennen, ob er log – insbesondere an den Augen. Doch während ihres Treffens hatte er sich mehrfach dabei ertappt, wie er ihr stattdessen auf den Mund geschaut hatte. Wie er die Rundungen ihres Körpers aus Gründen betrachtet hatte, die rein gar nichts mit Lügen zu tun hatten, dafür umso mehr mit der Art, wie sich ihre Brüste unter dem engen Pulli wölbten. Und in diesen unaufmerksamen Momenten hatte die dringendste Frage in seinem Kopf gelautet: Was brachte eine Frau wie Lucy dazu, sich übers Internet mit Männern zu verabreden? Er verstand durchaus, warum Männer im Netz nach Frauen suchten. Frauen um eine Verabredung zu bitten, fanden manche Männer furchtbar einschüchternd. Frauen dagegen mussten nur herumstehen und gut aussehen. Gelegentlich mal lächeln, um zu signalisieren, dass sie interessiert waren. Wie schwierig konnte das denn sein? Insbesondere für schöne Frauen wie Lucy.
Irgendwas stimmte nicht mit ihr. Es musste so sein. Irgendetwas, das sich hinter den großen blauen Augen verbarg. Etwas, das vielleicht auf Mord hindeutete.
Der einzige Beweis, der Lucy mit dem Breathless-Fall in Verbindung brachte, war ihr Name auf der Kundenliste der Westco-Reinigung, eine E-Mail von Charles Wilson, alias Chuckles, und ein allgemein bekanntes Kaffee-Date mit
dem dritten Opfer, Lawrence Craig, alias Luvstick. Das war nicht viel, aber andererseits hatte die Polizei in dieser Phase der Ermittlungen auch nicht viele Anhaltspunkte.
Die Detectives waren dabei, systematisch alle Verdächtigen auszuschließen, und inzwischen waren viel weniger übrig als am Anfang. Trotzdem stellte sich bei jeder Verdächtigen erneut die Frage: Was für eine Frau würde sich mit einem Mann verabreden, der sich Luvstick nannte? Die Polizei ging davon aus, dass es dieselbe Art Frau war, die sich mit jemandem traf, der sich Hardluvnman oder Hounddog nannte.
Am nächsten Morgen beobachtete Quinn im Spiegel über seiner Frisierkommode, wie er den Knoten seines rotblaugestreiften Schlipses hochschob. Er reckte sein frisch rasiertes Kinn und rückte den Knoten hin und her, bis er perfekt in den geschlossenen Kragen seines blauen Oberhemds passte. Er knöpfte die Kragenspitzen fest und griff nach seiner Dienstmarke auf der Frisierkommode. Er hakte sie an seinen Gürtel und schob seine Pistole ins Halfter an der rechten Hüfte. Reservemunition und Handy klemmte er an die linke Seite und steckte sich ein Paar Handschellen ins Kreuz. Am Fußende des Bettes lag eine marineblaue Jacke, in deren Ärmel er seine Arme fädelte, während er durch den Flur in die Küche ging. Er fütterte Millie, überprüfte, ob die Hundeklappe unverschlossen war, und trank seinen Kaffee aus. Auf dem Weg zur Tür hinaus schnappte er sich Laptop und Akten. Er sprang in seinen nicht als Polizeifahrzeug erkennbaren Crown Victoria und fuhr ins Büro. Während der Fahrt durch die Stadt checkte er seine Voicemail und machte sich auf einem Papierblock auf dem Beifahrersitz Notizen. Danach rief er wegen eines anhängigen Gerichtsverfahrens im Büro des Bezirksstaatsanwalts an, und als er endlich auf seinen
Parkplatz fuhr, hatte er bereits eine ganze Anzahl Dinge von seiner Liste mit zu erledigender Scheiße gestrichen.
Er begab sich in den Einsatzbesprechungsraum, der speziell für den Breathless-Fall eingerichtet worden war, und stellte fest, dass Lucy Rothschild an der Tafel vorn zur Nummer eins aufgerückt war, direkt über Maureen Dempsey. Er war als Erster da und platzierte Laptop und Akten neben den drei Mordakten auf dem Tisch vor
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