Gut geküsst ist halb gewonnen: Roman (German Edition)
ihrer zahlreichen Sünden hatte darin bestanden, dass sie Presbyterianerin war. Er hatte den Versuch aufgegeben, seine Mutter davon zu überzeugen, dass ihm sein Leben so gefiel, wie es war, und dass er genauso glücklich war wie alle anderen Erdbewohner.
Sie ließ sich noch ein Weilchen länger über Pater soundso und Diakon soundso aus, bevor ihr die Puste ausging und das Gerät sich ausschaltete. Er schob den Mülleimer wieder unter das Spülbecken und lehnte den Besen an die Küchentheke. Er warf das Kehrblech auf den Herd und schnappte sich eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank. Wenn sie sich um ihr eigenes Liebesleben kümmerte, würde sie sich vielleicht nicht so viele Gedanken um seins machen. Er wusste nicht so recht, was er davon halten sollte, dass seine Mutter sich so kurz nach dem Tod seines Vaters mit Männern traf. Auch wenn es, wenn er es recht überlegte, schon drei Jahre her war, dass sein Vater tot umgefallen war, während er die Sharon-Rosen seiner Mutter beschnitten hatte.
Er nahm seinen Laptop und seine Akten vom Tisch, auf dem er sie vorher abgelegt hatte, und knipste auf dem Weg aus der Küche die Lichter aus. Millie stand auf und folgte Quinn dicht auf den Fersen ins Wohnzimmer. Mit der freien
Hand schnappte er sich die Fernbedienung und schaltete die Zehn-Uhr-Nachrichten an. Er setzte sich auf sein Ledersofa und platzierte Laptop und Akten auf dem gläsernen Couchtisch vor sich. Millie setzte sich neben sein Knie auf den Boden, und er streckte die Hand aus und kraulte sie hinter ihrem langen roten Ohr.
In dem dunklen, behaglichen Raum glitt Licht vom Fernseher über die beigefarbenen Teppiche und strömte über den Couchtisch bis zu seiner Stiefelspitze. Er sah sich die Wettervorhersage an, die mehr Regen prophezeite. Bisher hatte die Presse zum Fall Breathless nicht über viele Details berichtet. Die Öffentlichkeit wusste nur, dass drei Männer in ihren Betten erstickt worden waren. Die Erstickungsmethode war nicht bekannt gegeben worden, genauso wenig wie die Information, dass sie nach Auffassung der Polizei ihre Opfer übers Internet fand. Die Presse kooperierte. Bis jetzt. Wenn eine der Zeitungen einen Knüller witterte, konnte sich das ganz schnell ändern.
Das Licht flimmerte, als die Nachrichtensendung von einem Werbespot für Versicherungen unterbrochen wurde. Quinn hob das Bier an die Lippen und sah einem Gecko dabei zu, wie er über den Bildschirm tanzte. Mit seinen siebenunddreißig Jahren war er nun schon seit sechzehn Jahren Polizist. Die ersten sechs Jahre war er Streife gefahren, bis er zum Detective befördert wurde und die nächsten sechs Jahre beim Drogendezernat arbeitete. Er war voll Eifer und Naivität an die Arbeit gegangen und hatte geglaubt, die Welt vor Drogen und der damit zusammenhängenden Kriminalität retten zu können. Er war mit einem starken moralischen Kompass erzogen worden. Mit einer klaren Definition von
Richtig und Falsch. Gut und Böse. Schwarz und Weiß. Doch nachdem er sich ein Jahr in Spelunken herumgetrieben und sich mit Pack angefreundet hatte, hatte sich diese Definition verändert. Die Grenze zwischen Gut und Böse war verschwommen, und Schwarz und Weiß waren zu einem konstanten Grau geworden. Je länger er als verdeckter Ermittler gearbeitet hatte, desto mehr hatte auch er sich verändert. Je mehr er sich verändert hatte, desto mehr war das nicht Akzeptable zum Alltäglichen geworden, bis er sich eines Tages im Spiegel betrachtet hatte und den Mann nicht mehr wiedererkannte, zu dem er geworden war. Er hatte einen Kerl mit langem Haar und Bart gesehen. Einen Mann mit harten und gefühllosen Augen. Der Anblick hatte ihm gefallen.
Rauschgiftfahnder mussten blitzschnell denken und das Blaue vom Himmel lügen können und Eier aus Stahl haben. Sie waren clever, arrogant und überzeugt von ihrer Unbesiegbarkeit, und Quinn war einer der besten gewesen. Sechs Jahre lang hatte er in einer Welt aus Drogen und Gewalt gelebt, und der Geschmack von Dreck und Schmutz auf seiner Zunge hatte ihm einen Kick gegeben. Genauso wie mächtige Drogendealer zur Strecke zu bringen. Härter zu sein als die härtesten Typen, hatte ihm einen Adrenalinstoß versetzt, der tagelang anhielt. Es hatte nichts Vergleichbares gegeben. Sein Leben und seine Arbeit waren so miteinander verwoben, dass er nicht gewusst hatte, wo das eine aufhörte und das andere anfing. Die Veränderung an ihm hatte seine Familie erschreckt und beunruhigt, sodass er sich bei Familienfeiern kaum
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