Gut geküsst ist halb gewonnen: Roman (German Edition)
Lucy setzte ihre Sonnenbrille ab, als sie die Tür hinter sich schloss. Sie steckte die Brille in ihre Handtasche, die sie über der Schulter trug, und sah sich in der Wohnung um. Das Wohnzimmer wurde von einer Ecklampe erhellt, und Lucy sprang sofort der Disney-Nippes ins Auge, der auf allen erdenklichen Flächen
verteilt war. Alle Figuren von Mickey Mouse bis Cruella De Vil starrten sie mit tausenden lackierten Augen an.
»Wow! Ich wusste nicht, dass Sie Sammlerin sind.«
»Oh ja. Ich sammle schon fast mein ganzes Leben Disney-Memorabilien. Seit mein Vater mir meinen ersten Kaugummiautomaten geschenkt hat. Den habe ich immer noch.«
Lucy war keine große Sammlerin und wusste nicht, was sie erwidern sollte, außer: »Wow!«
Cynthia lächelte und faltete die Hände. »Setzen Sie sich doch, dann hole ich Ihnen die Mappe.«
Lucy schob ein Kissen beiseite, auf dem Donald Duck mit kurzer Hose und Matrosenhut abgebildet war, und setzte sich auf die Couch. Sie konnte es kaum erwarten, an die Mappe und hoffentlich bald wieder an den Schreibtisch zu kommen. Doch noch viel mehr sehnte sie sich danach, dass Quinn endlich nach Hause kam und sie über die neuesten Beweise informierte.
Cynthia kam mit der Mappe in der Hand zurück. Doch statt sie Lucy zu geben, durchquerte sie den Raum und setzte sich in einen Sessel. »Ich bin so froh, dass Sie hier sind. Das gibt uns die Gelegenheit, uns übers Schreiben zu unterhalten.«
Lucy stöhnte innerlich. »Kann ich Ihnen bei irgendwas helfen?«
»Eigentlich nicht.« Sie hielt die Mappe hoch. »Ich habe Ihre Kapitel gelesen.«
Lucys Augenbrauen schossen hoch. Der einzige Mensch, der je ihre Rohfassungen lesen durfte, war Maddie. »Ach ja?«
»Schauen Sie nicht so beunruhigt.« Cynthia neigte den
Kopf zur Seite und lächelte. »Sie waren wie immer wunderbar.«
Es lag Lucy auf der Zunge zu sagen: »Was geht Sie das an?« Stattdessen lächelte sie gezwungen und sagte: »Danke.«
»Mir hat die Stelle sehr gut gefallen, als die Mörderin ihre Opfer nach dem Kennenlernen und vor dem Mord eine Weile verfolgt. Ähnlich wie Flitterwochen. Das ist ein netter Einfall. Sehr spannend.«
Okay. Cynthia hatte also ein paar Kapitel in Rohfassung gelesen. Sie war neugierig gewesen und hatte kurz reingeschaut. Kein großes Drama. Besser gesagt, Lucy würde kein großes Drama daraus machen. »Freut mich, dass es Ihnen gefallen hat.«
»Mir ist aufgefallen, dass an den Rändern Kommentare standen. Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, aber ich war so frei und habe meine Kritik dazugeschrieben.«
Oh Gott. Das Blut wich aus Lucys Gesicht, und alles, was sie herausbrachte, war ein fassungsloses: »Aha.«
»Mir sind ein paar Kommafehler aufgefallen, und Sie müssen wirklich auf Bandwurmsätze achten.«
Sei nett, Lucy. »Tja, es ist nur eine Rohfassung«, hörte sie sich sagen. Sie stand auf. Sie musste hier raus, bevor sie etwas Unhöfliches und Herablassendes sagte.
»Deshalb hab ich auch nichts zu Ihrem übermäßigen Gebrauch von Adverbien angemerkt. In Zukunft sollten Sie vielleicht auch darauf achten.«
Lucy ging durch den Raum und blieb vor dem Sessel stehen. »Ich werde dran denken.«
Cynthia blieb sitzen und sah mit hellgrünen Augen zu ihr
auf. »Und derjenige, der auf Ihr Manuskript geschrieben hat, weiß nicht, wovon er spricht.«
Tja, dazu gehörte Schneid. Schneid, den Lucy Cynthia nie zugetraut hatte. »Ich werde es Madeline Dupree ausrichten.«
»Madeline Dupree? Die True-Crime-Autorin?« Cynthia legte die Stirn in Falten, als würde sie mit etwas Unmöglichem konfrontiert. Dann schüttelte sie den Kopf und sagte: »Nein. Madeline hat Unrecht.«
Lucy würde es Maddie ausrichten, die sich darüber scheckig lachen würde. Wahrscheinlich würden sie sich beide ins Koma lachen, doch im Moment war nichts Lustiges daran. Sie streckte die Hand nach der Mappe aus. »Danke für Ihren Beitrag, aber ich muss jetzt wirklich nach Hause.« Ihr Lächeln war wohl nicht sehr überzeugend. Sie wollte nichts wie raus aus Cynthias Wohnung, und inzwischen war ihr auch ziemlich egal, ob man es merkte. »Ich muss ein Buch schreiben.«
»Punktförmige Augenblutungen kommen beim Tod durch Ersticken nicht zwangsläufig vor.«
Das wusste Lucy und Maddie bestimmt auch.
»Und willige Opfer zu finden, ist unglaublich einfach.« Endlich erhob sich Cynthia. »Auch wenn die Polizei im Fernsehen Männer davor warnt, sich auf Fesselspiele einzulassen.«
»Ähm, ja.« Lucy schaute auf die Mappe in
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