Gut genug - Erzählung
aufgezogen und gesungen, und immer wenn der Papageno zu Ende war, ist A.C. ins Zimmer gelaufen und hat nachgesehen, ob es noch lebt, und nach den Englein war ich dran. Jedesmal hat es noch gelebt, und langsam sind wir müde geworden, weil wir darauf gekommen waren, daß wir seit etwa dreißig Stunden nicht mehr geschlafen hatten. Es hat uns ziemlich gefehlt. Als das Kind wach geworden ist, haben wir wieder nicht gewußt, ob man es zuerst trinken lassen oder lieber wickeln soll; wir dachten, wenn es zuerst trinkt, schläft es danach wieder ein, und irgendwann kannst du es auswringen, weil es schon beim letzten Mal durch und durch naß war, deshalb haben wir es diesmal listig andersherum gemacht, und es hat wieder so geschrien, daß es rot und dunkelrot und fast blau dabei wurde. So haben wir herausgefunden, daß man es machen kann, wie man will, es schreit sich jedenfalls dunkelrot und fast blau. A.C. hat gesagt, man müßte einen Aufsatz darüber schreiben, warum das so ist, und ich habe gesagt, zuvor müßte man es wissen, aber A.C. hat gesagt, wie kommst du darauf. Natürlich nicht, hat er gesagt. Wenn man es weiß, muß man nicht drüber schreiben. Ich habe gesagt, vielleicht.
Am Abend sind nacheinander noch mehrere Leute gekommen. Aber Sie brauchen sie sich nicht zu merken, weil es Leute waren, die keine Kinder hatten. Wenn man keine Kinder hat, kennt man keine Leute mit Kindern. Also haben die Leute mit der Zeit aufgehört, uns zu kennen und in unserem Leben vorzukommen. An diesem Tag haben sie es noch nicht gewußt, und wir auch nicht. Sie haben das Kind angeschaut und gestaunt, daß es lebt. Nach einer Weile haben sie mit dem Staunen aufhören und über andere Sachen reden wollen, worüber man redet, über Filme, wohin sie in Urlaub fahren, darüber wer mit wem und was in den Nachrichten war. Nur A.C. und ich haben alle paar Minuten wieder von vorne gestaunt und nachgesehen, ob es noch lebt, und auf die Art verpaßt du die Hälfte von dem, was sie reden. Ich habe schließlich gesagt, ihr müßt schon entschuldigen, wir sind ein bißchen verblödet. Es ist vollkommen klar, daß keiner, der keine Kinder hat, es über längere Zeit gut aushält, mit Leuten zusammenzusein, die verblödet sind, weil sie ein Kind oder Kinder haben. Die Leute haben an dem Tag Geduld gehabt, weil Flo in der Nacht geboren war, aber es gibt keinen Grund, andauernd Geduld zu haben. Sie haben gesagt, wenn ihr ins Kino wollt, müßt ihr es sagen, dann passe ich auf das Baby auf, aber wir haben nicht ins Kino gewollt. Ich habe die Blumen zu den Blumen gestellt, und als der Sekt ausgetrunken war, ist das Kind wieder aufgewacht, und die Leute sind gegangen. Es war weit nach Mitternacht, und wir hatten jetzt zu der Schnecke und der Schildkröte noch einen kleinen Frosch, in dem eine Spieluhr versteckt war. Ein Männlein steht im Walde ganz still und stumm. Es ist komisch, warum Kinder, sobald sie geboren sind, im Dunkeln nicht schlafen wollen, aber sie wollen es nicht. Sobald es Nacht ist, wollen sie nicht schlafen. Wenn Sie ein Kind haben, wissen Sie das, und wenn Sie kein Kind haben, ist es nicht wichtig, sondern langweilig. Wir hatten davon schon gehört, und es war langweilig gewesen. Aber jetzt hatten wir zweiundvierzig Stunden lang nicht geschlafen und hätten sehr gern versucht, ob wir noch wissen, wie es geht. A.C. hat gesagt, schlaf jetzt du, ich trage es hier umher, und so haben wir es gemacht. Beim Einschlafen habe ich gehört, wie A.C. dem Kind die dreizehn Englein auf phrygisch oder äolisch oder so vorgesungen hat und danach ein Männlein steht im Walde. Er hat es später oft gemacht, und jedesmal habe ich nicht gewußt, weine ich, weil ich es kenne, oder weine ich, weil ich es fast nicht erkenne, oder weine ich wegen beidem und weil ich nicht weiß, wie es geht.
In den nächsten Tagen hat die Hebamme gesagt, ich sollte mir einen Kinderarzt suchen. Ich habe gesagt, wieso, das Kind ist nicht krank, aber sie hat gesagt, wegen der Früherkennungsvorsorge, und etwa das hatte Ali am Telefon auch schon gesagt. Ich habe gefunden, wenn man nicht weiß, wie es geht und wen man fragen kann, weil die Hebamme demnächst aufhören würde zu kommen und nach uns zu sehen, ist es vielleicht nicht schlecht. Und wenn das Kind mal was hat. Unglücklicherweise war A.C. nicht da, weil er einen Gangster mit Automatikauto nach Brüssel zu fahren hatte. Ich habe mir eine Kinderärztin aus dem Telefonbuch herausgesucht und bin mit dem Kind
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