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Gut genug - Erzählung

Gut genug - Erzählung

Titel: Gut genug - Erzählung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rotbuch-Verlag
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dorthingegangen.
    Die Ärztin hat mich das Kind ausziehen lassen und hat gesagt, legen Sie es da auf den Tisch. Danach ist sie gegangen. Später ist sie wiedergekommen und hat mit Flo die Reflexe geübt, also wieder den freien Fall. Ich habe gesagt, er hat den Test schon bestanden, aber sie hat gesagt, man muß es von Mal zu Mal wieder neu. Flo hat geschrien, und die Kinderärztin hat gesagt, sei doch still, du kleines Biest, aber er war nicht still, und da plötzlich hat sie eine Ärztespritze aus der Manteltasche gezogen und gezückt und versucht, ihn irgendwie zu erstechen. Erst an der Pulsschlagader, dann an der Halsschlagader und zuletzt an der linken Schläfe. Er hat geschrien und mit den Fäusten geboxt, aber weil er noch blind war, hat er sie nicht getroffen, sondern nur die Luft geboxt und etwas ungenau in ihre Richtung getreten. Ich hatte den Eindruck, er wollte sich nicht erstechen lassen, war aber noch zu klein, um die Kinderärztin zu schaffen. Ich habe gesagt, hören Sie auf. Wieso tun Sie das? Aber die Kinderärztin war im Blutrausch und hat nicht aufhören wollen, sie hat immer weiter zugestochen, immer nochmal, und dabei hat sie gemurmelt, es kommt und kommt nichts heraus, endlich hat sie doch aufgehört und gesagt, ziehen Sie es wieder an. Damit ist sie weggegangen. Ich habe ihn angezogen und gesagt, eines verspreche ich dir, hier gehen wir nicht mehr hin. Ehrenwort. Ich schwöre. Die Kinderärztin ist aber noch einmal zurückgekommen und hat mit einem Überraschungsangriff Flo noch blitzschnell ein Bein abzudrehen versucht. Ich habe gesagt, es ist doch angewachsen. Dann hat sie die Taktik gewechselt und mir eine Menge Beschädigungen und Verkrüppelungen gesagt, die sie festgestellt hatte, und einen Einlieferungsschein gegeben, der schon fix und fertig ausgefüllt war, nur der Name und der Geburtstag waren offen. Sie sollten mit ihm in die Klinik, hat sie gesagt. Sie ruhen sich aus, und inzwischen bringt man Ihr Kind in Ordnung und biegt die Sache zurecht. Ich habe gesagt, wie reparieren sie es, und sie hat gesagt, verschieden, man legt es ein paar Nächte unter UV , man spreizwickelt, man operiert die Brüche. Ich habe gemerkt, wie ich kläglich wurde, und gefragt, welche Brüche. Hoden, Leisten, Nabel. An der Stelle hat es mich interessiert, wie die menschliche Rasse bis zum heutigen Tag überlebt hat, trotz allem genau bis zum heutigen Tag, wo sie nie eine Früherkennungsvorsorge gemacht haben außer in den letzten zehn Jahren. Sicherheitshalber habe ich auch gleich nach inneren Verletzungen gefragt, aber sie hatte noch keine gefunden. Wahrscheinlich hat es Sichelfüße und einen vererbten Hüftknochenschaden. Mütterlicherseits vererbt. Angehext. Sie hat noch ein bißchen herumgemessen an Flo und gesagt, daß er Untergewicht hat und ich ihm etwas geben soll, was man als Pulver kauft und in kochendem Wasser anrührt oder in abgekochtem oder irgendwie, ich habe es mir vor Kläglichkeit und Verblödung gar nicht mehr richtig gemerkt. Aber dann ist mir wieder eingefallen, wie sie vorhin versucht hatte, Flo mit der Spritze fertigzumachen, und ich habe gesagt, und wenn nicht. Wenn ich nicht in die Klinik will? Und wenn ich ihm nichts von dem Kochpulver gebe? Sie hat bloß den Kopf geschüttelt und gesagt, wollen Sie Ihrem Wurm so ein Schicksal zumuten. Ich habe gesagt, ich denke darüber nach.
    A.C. war nicht da, und ich wußte nicht, wen ich fragen könnte. Ich habe im Krankenhaus angerufen und die Reparaturliste durchgegeben, sie haben mich erst ein paarmal falsch verbunden, und schließlich war jemand dran, der sich auskannte mit diesen Sachen, und als ich fertig war, sagte die Stimme, also das Übliche. Teils hat es mich beruhigt. Andererseits auch nicht. Ich habe gefragt, und was machen Sie gegen das Übliche. Die Stimme hat angefangen, mir das UV zu erklären. Es geht so, daß jedes neue Kind ein paar Nächte lang nackt ausgezogen wird und die Augen verbunden kriegt. Dann legen sie es auf einen Tisch und binden es fest, über dem Tisch ist eine Höhensonne mit einer lila Strahlung, und sie lassen es ein paar Nächte dort liegen. Alle Nächte bis morgens früh. Es klang nicht so, als wäre es etwas, was Flo besonders mögen würde. Es klang wie aus Poe, es gibt bei Poe eine Geschichte, ich weiß nicht, ob Sie die kennen, sie geht ganz ähnlich, nur daß die Lampe hin und her schwingt und sich im Laufe der Zeit so eklig gemein langsam senkt und keine Lampe ist, sondern etwas scharf Geschliffenes,

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