Gut genug - Erzählung
der Sicherheit? Er zieht seine Brieftasche aus dem Jackett. Kauf dir was anzuziehen. Und dem Kleinen. Ali schreit, wenn ich schon mal koche. Meine Mutter sagt, und nicht das Impfen vergessen. Kinderlähmung. Gehirnhautentzündung. Wundstarrkrampf. Diphterie. A.C.s Vater sagt zu A.C., Junge. Und jetzt rasierst du dich mal. Haare waschen, schneiden, kämmen, gelegentlich eine Rasur. Das Kind macht die Augen auf. Es kann noch nichts sehen. Es fängt sofort an zu schreien. Ali sagt, der Reis klebt furchtbar zusammen. Ich gebe dem Kind zu trinken, es ist naß. Alles an dem Kind ist naß. Weil es noch so klein ist, ist die Nässe gleich überall. Ich sage, es ist bis zu den Füßen naß. Es müßte gewickelt werden. A.C. sagt, wenn man es wickelt, wird es womöglich noch lauter schreien. Man weiß es nicht so genau. Das Kind ist jetzt sechzehn Stunden alt. Vielleicht wird es wieder blau. Ich sage, wir wickeln es, wenn es getrunken hat. Meine Mutter sagt, Muttermilch. Muttermilch ist am besten. Ich sage, Milch ist noch gar keine da. Milch kommt erst übermorgen. Die andere Mutter sagt, aber bloß nicht zu lange stillen, immer habe ich Angst gehabt, die Jungen werden mir schwul, also rechtzeitig weg mit der Brust, abstillen und an die Flasche gewöhnen. Auch das Fläschchen rechtzeitig absetzen und an die Tasse gewöhnen. Praktische Tassen gibt es mit beidhändig Henkeln daran. Mein Vater putzt seine Brille. Ali sagt, essen. Nicht daß der Fisch zerfällt. Alle haben vergessen, daß sie eigentlich flüstern. A.C. sagt, wie schön. Und jetzt geht ihr mal alle nach Haus. Das Kind ist eingeschlafen. Es nuckelt im Schlaf an der Brust. Es hat einen kleinen Saugnapf in der Mitte der Oberlippe. Ich sage, wie kriege ich es nur ab. Nicht daß es aufwacht und schreit. Meine Mutter sagt, das Kind muß gewickelt werden. Essen, wickeln, schlafen, so ist die Säuglingszeit. A.C. sagt, seid ihr immer noch da. Das Kind ist sehr naß. Meine Mutter sagt, nicht daß es sich erkältet. Ich sage, gibt mir mal jemand ein Kissen. A.C.s Mutter sagt, nicht daß es im Schlaf erstickt. Ich sage, raus jetzt. Alle Mann raus. Ali sagt, ihr habt doch noch gar nicht gegessen. Das Telegramm ist von Bea. Bonne chance. A.C.s Mutter sagt, sie kann wohl kein Deutsch. A.C. sagt, viel Glück. Ich sage, alles Gute. Dann gehen alle, und beim Gehen sagt meine Mutter, ich wünschte, du wärst in die Klinik gegangen. Da wärst du gut aufgehoben. Und das Kind würde richtig versorgt. Regelmäßiges Essen, viel Schlaf, du könntest dich etwas erholen. Du mußt auf dich aufpassen, Kind. Ali sagt, für euch koche ich nochmal.
Der Moment, als sie draußen waren, ist eigenartig leer gewesen. Eine dumpfe, leere Glückseligkeit, in der dir die Ohren klingen. A.C. ist vom Flur gekommen und hat gesagt, du müßtest mal einen Blick in die Küche tun. Sowas kriegt man nicht oft zu sehen. Im Zimmer haben Blumen gestanden wie bei einer Beerdigung, ich denke bei vielen Blumen immer an Beerdigung, obwohl es da Kränze sind, aber oft auch Blumen und Sträuße. Ich habe gesagt, haben sie keinen Sekt mitgebracht, und sie hatten Sekt mitgebracht. Sie hatten alles mögliche mitgebracht, das meiste doppelt oder so ähnlich nochmal. Jeder ein Paar gelbe Häkelsöckchen, jeder ein Mobile, das eine mit kleinen Marienkäfern, das andre mit kleinen Hexen, jeder ein kleines Stofftier, in dem eine Spieluhr versteckt war. A.C. hat gesagt, man müßte sie auf die Idee bringen, vor solchen Anschaffungen miteinander zu telefonieren. Ja, habe ich gesagt, aber würde das nicht heißen, daß sie miteinander sprechen. Immerhin. Sie brauchen sich nicht dabei anzusehen. Die Schnecke hat Papageno gespielt, Ein Mädchen oder Weibchen wünscht Papageno sich, und die Schildkröte hat Hänsel und Gretel gespielt.
Abends wenn ich schlafen geh, dreizehn oder vierzehn Englein um mich stehn. Die Katze ist aus dem Schrank gekommen und hat herumgeschnuppert wegen der Blumen, sie hat sich aus der Küche das Fischfilet geholt, und ich habe gesagt, das nächste kriege ich auch im Schrank. Man könnte es mal probieren. A.C. hat gestöhnt, und dann haben wir die Küche aufgeräumt und uns überlegt, wie ein einzelner Mensch für ein einzelnes Fischfilet vier Töpfe, drei Pfannen und Stapel von Tellern braucht, eine Zitronenpresse und praktisch alles Besteck, und trotzdem denkst du, sie hat das Filet auf dem Boden paniert. Wir sind vollkommen fröhlich gewesen, und haben abwechselnd die eine und die andere Spieluhr
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