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Gut genug - Erzählung

Gut genug - Erzählung

Titel: Gut genug - Erzählung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rotbuch-Verlag
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A.C. aus Brüssel anruft, weil ich ihm alles erzählen wollte und fragen, was sollen wir tun, Dachschaden oder Pendel, aber das kennen Sie auch, das Telefon tut fast niemals das, was man ihm sagt, und statt dessen ist es meine Mutter gewesen. Meine Mutter ruft telepathisch immer genau dann an, wenn es unter allen Umständen gar nicht geht. Normalerweise kann ich den Mund halten, wenn sie mich fragt, wie es geht, aber ich war durcheinander und habe versehentlich erzählt, daß ich es wirklich nicht weiß, und was ich bloß tun soll, und natürlich hat meine Mutter gewußt, daß das Kind umgehend in die Klinik gehört, weil sie das Pendel und die Strafkolonie nicht kennt oder schon längst vergessen hatte, wie sie alles vergessen, das ganze schlimme Jahrhundert vergessen, sie können nicht anders.
    Meine Mutter hat gesagt, sie glaubt an die Vorsorgefrüherkennung und an die Ärztin, ich habe gesagt, ich weiß, daß du daran glaubst. Sie gehört zu der Generation, die vor dreißig Jahren angefangen hat, daran zu glauben, daß die Ärzte die Guten sind und die Wissenschaftsmedizin alles alles heilt, und das hat ihnen gegen vieles geholfen, dieser Glauben, gegen die Amis und Russen und die verschwundenen Juden, gegen Faschismus, Atombombe und Contergan. Araber gab es zu der Zeit noch keine. Meine Mutter hat gemerkt, daß ich nicht wußte, wie es weitergehen soll mit dem Kind und der Klinik und meinem wenigen Schlaf. Ich weiß nicht, warum das so ist, aber wenn jemand merkt, du bist durcheinander und hast im Moment deine Not, auf den eigenen zwei Beinen zu bleiben, kann er fast nie widerstehen, noch schnell zuzuschlagen, und also hat sie gesagt, weißt du, warum ich anrufe. Du mußt nicht immer die Katze ans Kind heranlassen. Ich habe gesagt, wieso, und meine Mutter hat gesagt, in der Zeitung steht, eine Katze hat sich auf ein neugeborenes Kind draufgesetzt, und das Kind ist daran erstickt. Eifersucht als Motiv. Ich habe gesagt, bitte laß uns ein andermal telefonieren, sie hat gehört, daß meine Stimme vor Müdigkeit schwer und stammelig war, und hat gesagt, du mußt dich nicht immer überanstrengen. Am besten, du kommst ein paar Tage zu mir. Ich hatte den Tag über nichts gegessen, und als meine Mutter gesagt hat, am besten, du kommst zu mir, habe ich einen Augenblick so eine irre Idee gehabt, ich würde die Straßenbahn nehmen, zu meinen Eltern fahren, etwas essen und danach schlafen gehen. Ich habe an Rinderkraftbrühe gedacht und Bananenquark mit Rosinen, an die Bettwäsche mit den blauen Kreisen, die sich bis in den Schlaf überschneiden, und wie sie immer gerochen hat, meine Mutter hat alles genauso gemacht wie in der Fernsehwerbung, und es hat gut gerochen, während ich nicht gut gerochen, sondern nach der Geburt gewaltig gestunken habe. A.C. hat gesagt, du stinkst wie ein Pferdestall, und so war es, weil es so ist, ich hatte es bloß nicht gewußt, weil es mir niemand gesagt hat und weil es auch nirgends steht. Hinterher, wenn du fragst, haben sie einen Namen dafür, sie nennen es Wochenfluß, und wenn du das Wort dafür vorher gewußt hättest, hättest du dir etwa vorstellen können, wie es ist, aber vorher gibt es die ganze Sache nicht, sie ist namenlos und kommt also gar nicht vor. Ich habe es nicht sehr gemocht, zu stinken wie ein Pferdestall, aber man kann nichts dagegen tun. Und noch dazu nach Milch. Die Milch läuft aus dir heraus, auch wenn das Kind nicht trinkt, läuft sie einfach so über und in die Kleider und in die Pullover, und da wird sie nach einer Weile sauer. Ich hatte nicht gewußt, daß die Milch einfach so aus mir rauslaufen würde, ohne daß das Kind trinkt, aber sie tat es, und nach einer Weile wird sie natürlich sauer. Sie riecht nicht wie saure Kuhmilch, sondern wie Käse, eine besonders unangenehme Sorte von Käse, und, egal, was du machst und wie oft du dich umziehst, du wirst den Geruch nicht los. Nach einer Weile gibst du auf. Die Mischung aus Pferdestall und saurer Milch und der dauernden Pisse vom Kind, gegen die keine Windel ankam, hat mir den Bettwäscheduft bei meiner Mutter jedenfalls als Verheißung erscheinen lassen, eine irre kleine Sekunde habe ich gedacht, mein Vater säße zu Hause herum und würde Zeitung lesen oder im Sternatlas etwas herauszufinden versuchen, was mit Lichtjahren und Planet-Umdrehungen zu tun hatte und ihn manchmal beschäftigt hat, weil er sehr gern noch gewußt hätte, ob das Weltall einen Zaun drumherum hat, einen Stacheldraht, eine Schallmauer oder

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