Gut und richtig leben mit dem inneren Schweinehund
irgendeiner Subkultur (zum Beispiel die der Fußballer, der Journalisten, der Hardrocker, der Benediktiner) – und vertraut darauf, dass dieser gut und richtig ist.
Oder man unterzieht jede eigene Handlung und Haltung einem Testverfahren, das der große Denker Immanuel Kant entwickelt hat und das unter dem Titel »Kategorischer Imperativ« bekannt ist. Dieses Testverfahren funktioniert in zwei Schritten: Zuerst wird sich der Mensch darüber klar, was er tun will. Im zweiten Schritt überlegt er, was geschieht, wenn alle Menschen so handeln würden wie er selbst. Kant formuliert: »Man muss wollen können, dass eine Maxime unserer Handlung ein allgemeines Gesetz werde: dies ist der Kanon der moralischen Beurteilung derselben überhaupt.«
Ein anspruchsvolles Unterfangen: Es verlangt, dass der Mensch über einen pfiffigen Verstand verfügt und dass er zu einem neutralen und wohlwollenden Blick auf die gesamte Menschheit fähig ist – was ein gewisses Gut- Sein schon voraussetzt. Das fällt dem Schweinehund schwer: Er blickt tendenziell aus der egoistischen Perspektive und nicht weiter als bis zu seiner eigenen Nasenspitze.
Theoretisch aber funktioniert dieses Prüfverfahren ganz gut: Wenn der Schweinehund Ihnen zum Beispiel empfiehlt, 20 Euro aus der Vereinskasse abzuzweigen, dann können Sie ihm entgegenhalten: »Wenn alle Menschen Geld aus Kassen klauten, die ihnen nicht gehören, dann gerieten überall Firmen und Vereine in Schieflage.« Schlagen Sie ihm umgekehrt vor, 20 Euro an eine wohltätige Organisation zu spenden, können Sie argumentieren: »Wenn alle Menschen spendeten, gäbe es weniger Not in der Welt.«
|41| Vielleicht ist Ihnen die Sache mit dem Kategorischen Imperativ zu kompliziert und die gesamte Menschheit als Messlatte zu groß. Dann stellen Sie sich einfach vor, Ihr Handeln würde von einer Videokamera aufgezeichnet und der Film Ihren Kindern vorgeführt.
Es ist gar nicht so schwer
Nein, jetzt folgt nicht die Aufforderung, dass Sie sich mit gespitztem Bleistift hinsetzen und auf dem Reißbrett für sich selbst eine ganz eigene Wertewelt erfinden sollen – oder einen Katalog von Tugenden, die Sie fortan verkörpern wollen. Erstens wäre das unsinnig und zweitens überflüssig. Denn Sie sind in Sachen »Werte« ja kein unbeschriebenes Blatt: Sie sind in eine Welt hineingeboren, in der bestimmte Wertvorstellungen vertreten werden. Wenn Sie aus dem hiesigen Kulturkreis kommen, dann sind das die Werte des christlichen Abendlandes. Dazu kommen die Werte Ihres Milieus und Ihrer Familie. Sie müssen Ihren Wertekanon also nicht komplett neu erfinden. Es geht vielmehr darum, dass Sie ihn sich vergegenwärtigen und auf den Prüfstein stellen, um ein gutes und richtiges Leben nach Ihrer Fasson zu führen.
Bevor Sie das tun, werfen Sie aber noch einen kritischen Blick auf Ihren eigenen inneren Schweinehund. Entwerfen Sie ein Profil seiner liebsten Laster, indem Sie alle zutreffenden Punkte ankreuzen. (Die Laster, die Sie selbst für unbedeutend halten, streichen Sie einfach durch.) Im zweiten Kapitel können Sie sich dann gleich auf die Tugenden konzentrieren, die Ihrem borstigen Begleiter momentan noch regelmäßig zum Opfer fallen und die Sie sich gerne aneignen möchten.
Tragen Sie nun die fünf ausgeprägtesten Laster Ihres Schweinehundes in die folgende Tabelle ein. Schreiben Sie dazu, welche Tugenden Sie einüben wollen, um diese besonderen Charakterschwächen Ihres Schweinehundes auszugleichen.
Bevor Sie die Ärmel nun aber zum »Tugend-Training« hochkrempeln, schauen wir in Teil II dem Schweinehund in die Karten: Wie |44| geht er vor, um Sie immer wieder vom Pfad der Tugend abzulenken? Welche sind seine schlagkräftigsten Argumente? Außerdem schauen wir uns an, was unter den wichtigsten Tugenden eigentlich zu verstehen ist und wie der Schweinehund diese Tugenden torpediert.
|45| Teil II Tummelplätze und Taktiken der Schweinehunde
|47| So tickt Ihr innerer Schweinehund
Der Schweinehund ist so gerissen wie ein Geheimagent: Er agiert unbemerkt, taktiert hinter Ihrem Rücken und wickelt Sie mit seinen Argumenten um die Pfote. Sein moralischer Entwicklungsstand ist allerdings bei weitem nicht so gut entwickelt. Deshalb richtet er sich nicht nach Ihren ethischen Grundsätzen, sondern nach seinen eigenen Prinzipien:
1. Er handelt nach seinen spontanen Lustgefühlen. Die Konsequenzen sind ihm gleichgültig. Wenn es um seine Lust oder Unlust geht, blickt er niemals weiter als bis zu
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