gute freunde - boese freunde
gab es vor allem im 19. Jahrhundert eine weitere Entwicklung zu beobachten: die Entstehung von Freundesgruppen. Diese waren Vereine oder Burschenschaften, also Männerbünde, die sich oft über die gemeinsame Arbeit oder das Studium bildeten. Sie rühmten sich ihrer besonderen Fertigkeiten und ihrer Ehrbarkeit und halfen untereinander mit Wissen und Verbindungen aus. Diese Freundschaften fielen also eher unter den Begriff der Nutzfreundschaft, wie Aristoteles es definiert hatte.
Ist Freundschaft historisch betrachtet ein männliches Prinzip?
Die Gesellschaft war bis in das 20. Jahrhundert hinein noch offen frauenfeindlich: So wurden Frauen die geistigen Befähigungen zur Freundschaft abgesprochen wie auch die zum Studium. Ärzte sorgten sich, die Frau könne durch den Universitätsbesuch hysterisch, krank oder verdorben werden. Während Männer sich am gesellschaftlichen Leben beteiligten, wurde dies den meisten Frauen verwehrt. Eine »anständige Frau« arbeitete |54| nicht, sondern blieb zu Hause und stickte oder machte Konversation.
Die Geschichte zeigt uns jedoch, dass diese Darstellungen nicht unbedingt der Realität entsprachen und Frauen sehr wohl an der Gemeinschaft teilhatten und soziale Bindungen pflegten; sie erkämpften sich teilweise ein Studium, ein eigenes Auskommen und führten ähnlich innige und intime Freundschaften untereinander wie Männer. Auch sie schienen sich um die strikte Trennung zwischen Liebe und Freundschaft, die für uns heute selbstverständlich ist, wenig zu sorgen.
Sexualität spielte in diesen romantischen Freundschaften noch eine andere Rolle als heutzutage. Zum einen wurden die zärtlichen Gesten und romantischen Briefe der Frauen als »Übung« für die Ehe betrachtet (wohl weniger von ihnen selbst als von ihrer Umwelt), zum anderen, weil die Frau gar nicht als sexuelles Wesen, also als Mensch mit eigenen sexuellen Wünschen und Bedürfnissen, begriffen wurde.
Der Frau wurde gesellschaftlich und kulturell eine aktive, begehrende Sexualität abgesprochen, daher galt selbst in der Moderne noch lesbisches Verhalten als weniger »gefährlich« (im Vergleich zur Liebe unter Männern).
Diese »Unterschätzung« weiblicher Sexualität erleichterte in gewisser Weise einen emanzipatorischen Lebensstil – Frauen wohnten und lebten sogar zusammen, was, zumindest in Amerika, unter dem Begriff »Boston-Ehe« erfasst wurde. Von der Gesellschaft wurden diese »gleichgeschlechtlichen Wohngemeinschaften« weit eher akzeptiert als das unverheiratete Zusammenleben mit einem Mann.
|55| Online/Offline? Freundschaft im Netz
Unsere Beziehungen leben durch unsere Kommunikation. Ändert sich diese (durch neue Medien oder durch veränderte Mediennutzung), so ändern sich auch die Beziehungen. Als der Brief das meistgenutzte Kommunikationsmedium war, verwandte man viele Stunden, um dem Freund oder der Freundin die eigenen Neuigkeiten und Gedanken mitzuteilen. Heute brauchen wir wenige Minuten um eine Statusmeldung in die Welt zu schicken, mit der wir gleich fünfzig Freunde erreichen. Der frühere Brief verband jedoch in stärkerem Maße den Schreibenden mit dem Lesenden als unser Update, welches keinen Unterschied zwischen den verschiedenen Lesern macht. Der Brief richtete sich an eine bestimmte Person, war also auch auf sie abgestimmt. Eine andere Person hätte einen anderen Brief erhalten.
Nun ist es natürlich unfair, einen handgeschriebenen Brief, der mehrere Stunden in Anspruch nahm, mit einer schnell getippten Statusmeldung zu vergleichen, die ja gar nicht das Ziel hat, tiefgründig wie ein Brief zu sein. Doch an dieser Gegenüberstellung von Kommunikationsmitteln wird deutlich, wie sich unser Verhalten verändert hat. Kaum einer investiert heute noch so viel Arbeit und Zeit in einen Brief, schließlich lässt es sich in einer E-Mail viel schneller mitteilen. Oder im Chat. Allerdings verändert sich nicht nur die Form, sondern auch der Inhalt.
Viele Freundschaften finden sowohl offline als auch online statt.
Mit Vito teile ich die vergangene Schulzeit, ich habe ihn seit zehn Jahren weder gesehen noch gesprochen, doch im Internet haben wir uns wieder gefunden. Und schnell war wieder das Vertrauen da, das ich von früher, als er mein bester Freund war, kannte.
Bei Mathilda und ihrem Freund lief es genau anders herum. Sie |56| arbeitet in einem internationalen Softwareunternehmen. Dort besteht ein Team nicht nur aus den Mitarbeitern, mit denen sie das Büro teilt, sondern aus Menschen,
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