gute freunde - boese freunde
Ihnen?
Dieses »Ähnlichkeitsprinzip«, wie ForscherInnen es nennen, ist aber kein Zufall. Es ist eingebettet in den sozialen Kontext, in dem eine Freundschaft entsteht. Anders gesagt: Wenn Du zwischen Dir und Deinem besten Freund viele Ähnlichkeiten entdeckst, z. B. dass Ihr einen ähnlichen Geschmack habt, dieselben Bands toll findet und die gleichen Klamotten mögt, so liegt das vielleicht daran, dass Ihr auf einer bestimmten Schule seid, die Eure Eltern für Euch ausgewählt haben. Und wahrscheinlich haben Deine Eltern sogar schon ähnliche Interessen, ein ähnlich hohes Einkommen oder ähnliche Schulabschlüsse wie die Eltern Deiner (Schul-)Freunde. Ihr seid dann also bereits in einem homogenen Milieu, also umgeben von Menschen, die ähnlich »ticken« und leben.
So ist das auch bei Anna und Marja. Beide arbeiten als Grafikdesignerinnen und lernen sich in einer Werbeagentur kennen. Anna mag Marja sofort und erzählt, »es gab da von Anfang an so ein paar Parallelen«. Sie sind nahezu gleich alt, noch relativ neu in dieser Agentur und haben sich deshalb mit den anderen |62| KollegInnen noch nicht anfreunden können. Davon abgesehen haben aber beide eine ähnliche Ausbildung absolviert und teilen Musik- und Filmgeschmack. In Untersuchungen, die sich über einen längeren Zeitraum erstreckten, konnte gezeigt werden, dass Freunde zu Beginn ihrer Beziehung Ähnlichkeit in leicht zugänglichen Informationen haben (z. B. Aussehen, Familienkonstellation, Geschmack). In einem späteren Stadium der Freundschaft lockert sich dies, doch nimmt dafür die Ähnlichkeit in schwerer zugänglichen Informationsbereichen zu (z. B. Ansichten, Urteile).
Rahel und Mika sind seit der vierten Klasse befreundet. Als sie sich kennenlernten, fanden sie es toll, für Geschwister gehalten zu werden, weil sie sich mit ihren langen dunklen Haaren so ähnlich sahen. Sooft sie die Möglichkeit hatten, stimmten sie ihre Kleidung aufeinander ab und gefielen sich als »Zwillinge«. Je älter sie wurden, desto unwichtiger wurden diese äußeren Ähnlichkeiten. Rahel schnitt sich die Haare kurz und färbte sie grün, während Mika bei ihrem langen Pferdeschwanz blieb. Beide finden nun den Geschmack der jeweils anderen »öde« oder »komisch«. Doch befreundet sind sie nach wie vor, die Freundschaft ist jedoch von der Oberfläche (und der vermeintlichen Sichtbarkeit) verschwunden. Statt ihrer Codes teilen sie inzwischen Ansichten, sie sind nicht immer einer Meinung, stimmen aber in ihren grundlegenden Werten und Urteilen überein.
Neben diesen engen Freundschaften führen wir meist noch einige andere, die lockerer und spezialisierter sind. Mit Tino gehe ich zum Fußball, mit Marek ins Museum und Theater und mit Johanna besuche ich Konzerte und mache Musik. Sie sind mehr als nur Bekannte, aber ich teile nicht alles mit ihnen. Warum soll ich mit Tino über Malerei reden? Und weder Johanna |63| noch Marek interessieren sich für Fußball. Ich habe verschiedene Freunde für verschiedene Bereiche meines Lebens. Der Soziologe Georg Simmel hat dieses Phänomen bereits Anfang des letzten Jahrhunderts erkannt und nannte es »differenzierte Freundschaften«. Er erklärte die Spezialisierung und Auffächerung von Freundschaften mit den damaligen Veränderungen in der Arbeitswelt und der Verstädterung. Mit Simmel lässt sich auch über die Veränderung von Freundschaft im web2.0 nachdenken.
Freunde finden leicht gemacht?
Im Internet gibt es verschiedene Plattformen, auf denen man Profile erstellen kann. Einige verstehen sich explizit als Jobbörsen, was bedeutet, dass interessierte Firmen sich die Profile von Bewerbern ansehen können. (Das funktioniert auch umgekehrt, viele Firmen sind ebenfalls in diesen Portalen vertreten und werden dann durch interessierte Bewerber begutachtet.) Wenn man sich bei diesen Portalen miteinander verbindet (in einigen Portalen nennt sich das dann »befreunden«), webt man ein Netzwerk, man vernetzt sich. Je mehr Bekannte (Kollegen, Freunde, Geschwister) wir dort um uns herum versammeln, desto besser sind wir vernetzt.
Mathilda ist Grafikerin. Sie hatte einige Zeit in einer Werbeagentur gearbeitet, doch irgendwann gefiel es ihr dort nicht mehr und sie kündigte. Nun brauchte sie schnell einen neuen Job. Sie erzählte also ihren FreundInnen und ehemaligen KollegInnen, dass sie Arbeit suche. Diese erzählten es weiter oder verlinkten Mathildas Profil. Sie selbst nennt dies das »Schneeballsystem«: Ich erzähle meinen
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