Gute Geister - Stockett, K: Gute Geister - The Help
machen.
»Warum? Warum willst du nicht mehr zu mir kommen? Sorgst du jetzt für ein anderes kleines Mädchen?« Ihre Stirn ist gerunzelt, so, wie wenn ihre Mama mit ihr schimpft. Gott im
Himmel, ich hab das Gefühl, mein Herz blutet sich zu Tod. Ich fass ihr Gesicht mit beiden Händen, fühl, wie schrecklich heiß ihre Wangen sind. »Nein, Baby, das ist nicht der Grund. Ich will nicht weg von dir, aber …« Wie soll ich’s ihr erklären? Ich kann ihr nicht sagen, dass ich gefeuert bin, ich will nicht, dass sie ihrer Mama die Schuld gibt und sie noch schlechter miteinander auskommen. »Es ist Zeit, dass ich aufhör mit der Arbeit. Du bist mein letztes kleines Mädchen«, sag ich, weil’s wahr ist, es ist nur nicht meine Entscheidung.
Ich lass sie eine Weile an meiner Brust weinen, nehm dann wieder ihr Gesicht zwischen die Hände. Ich mach einen tiefen Atemzug und sag ihr, sie soll’s auch tun.
»Baby Girl«, flüster ich. »Ich will, dass du immer an das denkst, was ich dir gesagt hab. Du weißt doch noch, was ich dir gesagt hab?«
Sie weint immer noch, schluchzt aber nimmer so. »Dass ich mir den Po richtig abputzen soll, wenn ich fertig bin?«
»Nein, Baby, das andere. Da drüber, wie du bist.«
Ich guck tief in ihre braunen Augen, und sie guckt in meine. Gott, sie hat die Augen von einer alten Seele, wie wenn sie schon tausend Jahr gelebt hätt. Und ich schwör’s, ich seh dort tief drinnen die Frau, die sie mal wird. Ein Stück Zukunft. Sie ist groß und aufrecht. Sie ist stolz. Sie hat einen besseren Haarschnitt. Und sie hat behalten, was ich ihr in den Kopf gepflanzt hab. Denkt dran als erwachsene Frau.
Und dann sagt sie’s, genau wie ich’s mir wünsch. »Du bist lieb«, murmelt sie, »du bist gescheit. Du bist wichtig.«
»Oh, Baby.« Ich drück ihren heißen, kleinen Körper an mich. Ich hab das Gefühl, dass sie mir grad ein Geschenk gemacht hat. »Danke, Baby Girl.«
»Bitte«, antwortet sie, wie ich’s ihr beigebracht hab. Aber dann legt sie den Kopf an meine Schulter, und wir weinen eine Weile, bis Miss Leefolt in die Küche kommt.
»Aibileen«, sagt Miss Leefolt leis.
»Miss Leefolt, sind Sie … sicher, dass Sie das …« Miss Hilly kommt hinter ihr rein und funkelt mich grimmig an. Miss Leefolt nickt und sieht aus, wie wenn sie ein schlechtes Gewissen hätt.
»Tut mir leid, Aibileen. Hilly, wenn du … Anzeige erstatten willst, ist das dein gutes Recht.«
Miss Hilly schnaubt verächtlich. »Es ist den Zeitaufwand nicht wert.«
Miss Leefolt seufzt, wie wenn sie erleichtert wär. Kurz treffen sich unsere Blicke, und ich seh, dass Miss Hilly recht hat. Miss Leefolt hat keine Ahnung, dass Kapitel zwei über sie ist. Selbst wenn sie einen Verdacht hätt, würd sie’s sich nie eingestehen.
Ich schieb Mae Mobley ganz sacht ein Stück von mir weg, und sie guckt mit ihren schläfrigen Fieberaugen erst mich an und dann ihre Mama. Nach dem Gesicht, was sie macht, fürchtet sie die nächsten fünfzehn Jahre von ihrem Leben, aber sie seufzt nur, wie wenn sie zu müd wär, um drüber nachzudenken. Ich stell sie auf die Beine und geb ihr noch einen Kuss auf die Stirn, aber dann reckt sie wieder die Arme nach mir. Ich muss ihr ausweichen.
Also schlüpf ich in die Wäschekammer, meinen Mantel und meine Handtasche holen.
Ich geh zur Hintertür raus, und es ist schrecklich, weil ich Mae Mobley wieder weinen hör. Wie ich die Einfahrt langlauf, wein ich selbst, weil ich weiß, wie sehr mir Mae Mobley fehlen wird, und ich bet zu Gott, dass ihre Mama ihr mehr Liebe zeigen kann. Aber gleichzeitig hab ich so ein Gefühl, dass ich frei bin, genau wie Minny. Freier wie Miss Leefolt, die so in ihrem eigenen Kopf gefangen ist, dass sie nicht mal sich selbst erkennt, wenn sie die Geschichten über sich liest. Und freier wie Miss Hilly. Die Frau wird den Rest ihres Lebens damit zubringen, Leuten einzureden, dass sie nicht die war, die den Kuchen gegessen hat. Ich denk an Yule May im Gefängnis. Miss Hilly sitzt selbst auch im Gefängnis, nur dass sie lebenslänglich hat.
Ich geh um halb neun Uhr morgens den heißen Gehweg entlang und frag mich, was ich mit dem Rest vom Tag machen soll. Mit dem Rest von meinem Leben. Ich zitter und heul, und eine weiße Lady läuft an mir vorbei und guckt mich komisch an. Die Zeitung zahlt mir von jetzt an zehn Dollar die Woche, und ich hab noch das Geld von dem Buch und krieg ja noch mehr. Trotzdem, das reicht nicht für mein restliches Leben. Einen Job als
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