Gute Geister - Stockett, K: Gute Geister - The Help
ist: Die Tribüne um uns herum ist völlig leer. Wir sitzen so eng zusammen, weil wir so eng befreundet sind.
An der Ole Miss haben Hilly und ich zwei Jahre ein Zimmer geteilt, bis sie abgegangen ist, um zu heiraten, und ich blieb dort, um meinen Abschluss zu machen. Jeden Abend habe ich ihr im Chi-Omega-Haus, dem Wohnheim unserer Studentinnenverbindung, dreizehn Lockenwickler ins Haar gedreht. Und heute hat sie mir angedroht, mich aus der League zu werfen. Nicht dass mir so viel an der Mitgliedschaft läge, aber es verletzt mich, dass meine Freundin mich einfach so fallen lassen würde.
Ich biege in die Zufahrt von Longleaf ein, unserer Baumwollfarm. Der Schotter weicht feinem gelbem Staub, und ich bremse ab, bevor Mutter sieht, wie schnell ich fahre. Ich parke
vor dem Haus und steige aus. Mutter sitzt im Schaukelstuhl auf der vorderen Veranda.
»Komm, Schatz, setz dich her«, sagt sie und zeigt auf den Schaukelstuhl neben ihrem. »Pascagoula hat gerade die Böden gewachst. Sie müssen erst noch ein bisschen trocknen.«
»Ist gut, Mama.« Ich küsse sie auf die gepuderte Wange. Aber ich setze mich nicht. Ich lehne mich ans Verandageländer und schaue auf die drei moosbehangenen Eichen im Vorgarten. Obwohl Longleaf nur fünf Minuten außerhalb der Stadt liegt, sind wir hier für die meisten Leute auf dem Land. Um unseren Garten herum erstrecken sich Daddys Baumwollfelder, zehntausend Morgen kräftiger, grüner Baumwollsträucher, die mir bis zur Taille reichen. Vor einem fernen Schuppen sitzen ein paar Farbige und starren in die Hitze. Alle hier warten auf dasselbe: dass die Baumwollkapseln aufspringen.
Ich denke darüber nach, wie anders alles zwischen Hilly und mir ist, seit ich wieder hier bin. Aber wer hat sich geändert, sie oder ich?
»Habe ich’s dir schon erzählt?«, sagt Mutter. »Fanny Peatrow hat sich verlobt.«
»Schön für Fanny.«
»Nicht mal einen Monat, nachdem sie am Schalter in der Farmer’s Bank angefangen hat.«
»Das ist ja toll.«
»Ich weiß«, sagt sie. Ich drehe mich um und sehe, dass sie diesen Blick hat, der Glühbirnen zum Platzen bringen könnte. »Warum gehst du nicht auch zu der Bank und bewirbst dich um einen Schalterjob.«
»Ich will nicht Bankangestellte werden, Mutter.«
Mutter seufzt und blickt streng auf unseren Spaniel Shelby, der sich seine intimen Stellen leckt. Ich schaue zur Eingangstür, bin versucht, die frisch geputzten Böden doch zu ruinieren. Dieses Gespräch haben wir tausendmal geführt.
»Vier Jahre geht meine Tochter aufs College, und was bringt sie mit nach Hause?«
»Ein Abschlussdiplom?«
»Ein Stück Papier«, erwidert Mutter.
»Ich hab’s dir doch gesagt. Ich habe niemanden getroffen, den ich heiraten wollte«, erkläre ich.
Mutter steht auf, kommt nah an mich heran, damit ich in ihr hübsches, glattes Gesicht schaue. Sie trägt ein marineblaues Kleid, das ihre schmale Figur eng umschließt. Wie üblich sind ihre Lippen perfekt geschminkt, doch als sie in die helle Nachmittagssonne tritt, sehe ich dunkle, getrocknete Flecken vorn auf ihrem Kleid. Ich kneife die Augen zusammen, um mich zu vergewissern, dass die Flecken keine Einbildung sind. »Mama? Geht es dir nicht gut?«
»Wenn du nur ein bisschen Initiative entwickeln würdest, Eugenia …«
»Dein Kleid ist vorn ganz fleckig.«
Mutter verschränkt die Arme. »Ich habe mit Fannys Mutter gesprochen, und sie sagt, Fanny konnte sich vor Verehrern kaum retten, seit sie diesen Job hatte.«
Ich lasse das Thema Flecken fallen. Ich werde Mutter nie sagen können, dass ich Schriftstellerin werden möchte. Sie wird daraus nur einen weiteren Makel machen, der mich angeblich am Heiraten hindert. Und ich kann ihr auch nicht von Charles Gray erzählen, meinem Mathe-Lernpartner letztes Frühjahr an der Ole Miss. Der im Abschlussjahr eines Abends betrunken war und mich geküsst und dann meine Hand gedrückt hat, so fest, dass es hätte wehtun müssen, was es aber nicht tat, es fühlte sich einfach nur himmlisch an, wie er mich in den Armen hielt und mir in die Augen sah. Und dann hat er die eins fünfzig kleine Jenny Sprig geheiratet.
Ich hätte mir ein Apartment in der Stadt suchen sollen, in einem dieser Häuser, wo alleinstehende, unscheinbare Frauen wohnen, alte Jungfern, Sekretärinnen, Lehrerinnen. Aber als
ich zum ersten und einzigen Mal davon sprach, Geld aus meinem Treuhandfonds zu verbrauchen, fing Mutter an zu weinen – echte Tränen. »Dafür ist das Geld nicht da, Eugenia. Damit du
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