Gute-Nacht-Geschichten vom kleinen Apfelbäumchen
Probleme. Da half ihm der Ahornbaum. Er streckte seine Zweige aus und spendete der Hagebutte Schatten. Es ist immer gut, wenn man Freunde hat, die in der Not helfen.
„Wir werden wohl sterben.“, klagte der kleine Apfelbaum. Doch der Ahorn tröstete ihn.
„So lange du noch lebst, gibt es Hoffnung.“
Und Recht hatte der große Baum. Mit einem fernen Grollen kündigte sich die Wende an. Das Gewitter kam schnell, und ihm folgte ein langer warmer Regen. Einen halben Tag und die ganze Nacht hindurch fiel Wasser vom Himmel. Die trockene Erde wurde durch und durch nass. Pflanzen und Tiere atmeten auf. Die lange Dürre war vorbei, und unser kleiner Apfelbaum hatte sie überstanden.
5. Herbst über der Wiese
Das Wasser, das der Regen nach langer Trockenheit der Erde spendete, ließ die Wiese und den Feldrain, die Menschen und die Tiere aufatmen. Noch fielen vereinzelt Tropfen von den Blättern der Bäume und Sträucher. Das kleine Apfelbäumchen richtete sich auf und streckte die verbliebenen Blätter wieder in Richtung Sonne. Zwar war es froh, noch am Leben zu sein. Dennoch war es aber auch traurig, wenn es nach oben blickte. Da sah es die abgestorbenen Blätter und die verdorrte Triebspitze.
„Sei nicht so betrübt“, tröstete der Hagebuttenstrauch. „Du lebst noch und wirst bald weiterwachsen. Lange dauert es bestimmt nicht und du bist größer als zuvor!“
Das konnte der kleine Apfelbaum nicht glauben.
„Wie soll ich denn weiterwachsen?“, sprach er. „Meine Spitze ist doch auch vertrocknet.“
„Keine Angst“, erwiderte die Hagebutte. „Bald wird neben deinem obersten Blatt eine neue Spitze wachsen.“
Und wieder hatte der Strauch Recht. Es dauerte nicht lange, da kündigte sich mit frischem Grün eine neue Spitze an. Der kleine Apfelbaum war glücklich. Er nutzte die Chance und wuchs besonders schnell. Bald schon hatte er seine alte Größe zurückerlangt. Und am Ende des Sommers war er größer als je zuvor.
Es war immer deutlicher zu spüren. Die Tage wurden kürzer, die Nächte länger. Es wurde kühler und feuchter. Der Herbst kündigte sich an. Immer öfter tanzten morgens Nebelschwaden über den Wiesen. Tag für Tag wurde die grüne Farbe der Blätter schwächer. Neue Farben mischten sich hinzu. Viele verschiedene Grün-, Rot- und Gelbtöne färbten das Land. Auch der kleine Apfelbaum war sehr stolz auf seine bunte Pracht. Er drehte und streckte sich und zeigte allen sein buntes Kleid. Die anderen Pflanzen störten sich nicht daran. Sie bewunderten seine Blätter und freuten sich mit ihm. Schließlich war es sein erster Herbst.
Nach und nach ließen alle Pflanzen ihre Blätter zu Boden fallen. Nur unser kleiner Apfelbaum hielt sie mit aller Kraft fest. Er wollte die Blätter, die er sich so mühsam erarbeitet hatte und die jetzt in den schönsten Farben leuchteten, einfach nicht wegwerfen. Plötzlich hörte er es wieder einmal rascheln. Schnell wurden die Geräusche lauter, dann wieder leiser. Ein leichtes Schniefen war zu hören.
„Hallo Ahorn. Kannst du sehen, was hier so raschelt?“, fragte er.
„Ja“, antwortete der Ahorn. „Es ist Schnuffel, der Igel. Erinnerst du dich noch? Er war es, der dich vor der gefräßigen Schnecke gerettet hat. Jetzt sammelt er Blätter, um im kalten Winter an einem warmen Plätzchen Winterschlaf zu halten.“
Natürlich konnte sich der kleine Apfelbaum an Schnuffel, den lieben kleinen Igel, noch gut erinnern. Der war inzwischen auch gewachsen und hatte sich ein dickes Fettpolster angefressen. Hektisch lief er hin und her und sammelte Blätter.
„Hallo Schnuffel!“, rief der kleine Apfelbaum, als das stachelige Tier einmal kurz in der Nähe war.
„Ach du bist es, kleiner Apfelbaum“, antwortete er. „Ich würde mich gern ein wenig mit dir unterhalten, aber ich habe noch viel zu tun.“
„Brauchst du wirklich so viele Blätter?“, fragte der kleine Baum noch einmal nach.
„Ja“, erwiderte der Igel. „Je mehr Blätter ich sammele, umso wärmer habe ich es im Winter. Und nur wenn ich es schön warm habe, kann ich die kalte Zeit überstehen.“
„Dann möchte ich dir gerne auch meine Blätter schenken“, sagte ohne zu zögern der kleine Baum.
Er rüttelte und schüttelte sich und ließ seine Blätter, auf die er so stolz war, zu Boden fallen. Schnuffel lächelte, bedankte sich höflich und sammelte sie ein. Das Bäumchen war froh, dass seine Blätter nun noch einem guten Zweck dienten. Glücklich schlief es
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