Gute Nacht Jakob
er vor Lachen prustete. Mama, die inzwischen unter den anderen Sessel gekrochen war und dort ihr Pappei gefunden hatte, stand völlig versteinert und sah besonders auf den an der Eimitte herunterhängenden Rest des Verbindungsbandes, dann blickte sie mich empört an: »Wo hast du denn das um Gottes willen gefunden... mein...«
»Psst!« sagte Omama. Dann kam sie auf mich zu und strich mir über den Kopf: »Eine sehr schöne Idee, mein Jungchen, nur... weißt du, wenn du wieder mal was aus Mamas Schubladen nimmst und es obendrein noch zerschneiden willst, mußt du vorher fragen!«
»Hahaha!« lachte Opapa plötzlich im Hintergrund und schlug sich auf die Schenkel.
»Benimm dich, Max!« sagte Omama streng, während ich verdutzt von einem zum anderen blickte. Erst viel später erfuhr ich, was das Ganze zu bedeuten hatte. Die Mama hatte wie gesagt eine wunderbar schlanke Figur, mit der sie gewissermaßen der Zeit voraus war. Zu damaliger Zeit jedoch trug man Busen, und wer die von der Mode vorgeschriebene Fülle nicht aus eigenem Bestand aufzubringen vermochte, half sich mit einem künstlichen Busen. Es war genau dieses Instrument, das ich im Schubfach der Mama gefunden und zu Ostereiern ernannt hatte.
An diesem Festsonntag aber ahnte ich von alledem nichts. Die Situation bereitete mir auch weiter keine Kopfschmerzen, denn es wurde mir nun mit besonderer Feierlichkeit bedeutet, daß ich jetzt an der Reihe sei, zu suchen. Zunächst entdeckte ich den gewaltigen Schokoladen-Osterhasen, den ein Onkel Felix mir jedes Jahr aus Nürnberg schickte und der wochenlang aufgehoben und schließlich nur mit größtem Bedauern verzehrt wurde. Dann fand ich in Bechern und Krügen und im Helm einer Ritterrüstung nur ziemlich unbedeutendes kleines Eierzeug und schloß daraus, daß noch etwas Besonderes in der Luft läge. Die Direktiven trieben mich immer mehr in Richtung der Biedermeierkommode. Ich ging seitwärts davon auf einen großen Sessel zu.
»Wasser!« sagte Opapa.
»Nein, Kohle!« meinte die Omama.
»Na, es ist doch...«, sagte Opapa.
»Psst!« meinte Omama.
Ich stellte mich direkt vor die Kommode.
»Kohle!« sagten alle drei wie aus einem Munde. Ich zog die Schubladen auf, zunächst die oberste.
»Kohle!«
Dann die mittlere.
»Feuer!« schrien alle.
Ich tastete mich über Tischtücher und Servietten, die gebündelt lagen, langsam nach hinten, während die vereinigte Familie immer gellender »Feuer!« schrie. Und da war es — ein langer Gegenstand, in Papier gewickelt — ich holte ihn heraus — nein, das war ja nicht zu fassen — ich riß die Verpackung herunter — es strahlte mir entgegen — ein Luftgewehr, ein richtiges schönes, blankes Luftgewehr! Dazu zwei Schachteln Bolzen und Kugeln. Ich fiel allen dreien um den Hals.
»Nun brauchst du doch keinen Hund mehr, nicht wahr, mein Kind?« fragte Omama besorgt.
»Nein«, sagte ich etwas verdutzt, »nein... natürlich nicht.«
Jetzt schaltete sich Opapa mit seinem vollen Gewicht ein. Zunächst erklärte er, daß man mit dem Gewehr niemals auf Menschen zielen dürfe und daß er mich sachgemäß in die Anfangsgründe des Schießens einweihen werde. Zu diesem Behufe habe er bereits eine Scheibe angeschafft, die am Ende des langen Flurs befestigt wurde.
Dies ging im Laufe des nächsten Tages mit der nötigen Umständlichkeit vonstatten. Opapa hatte sich außerdem eine Trillerpfeife zugelegt, deren Ertönen das gesamte Frauenvolk davor warnte, eine der auf den Flur führenden Türen zu öffnen. Dann begann der Unterricht.
Ich pflege alles ziemlich langsam, dann aber gründlich zu lernen. Der erste Tag war katastrophal. Am zweiten traf ich wenigstens die Scheibe. Am dritten schoß ich zum erstenmal Zentrum, und nach einer Woche hängte ich Opapa glatt ab, obwohl er mehrfach die Kneifer wechselte und immer häufiger darauf hinwies, daß es für ihn als geübten Schützen natürlich sehr schwer sei, mit einer ungezogenen Büchse von so erheblicher Streuung zu schießen. Er tat mir direkt leid, wie er, ununterbrochen die Stellung wechselnd, minutenlang zielte, wieder absetzte, dann wieder zielte, die linke Backe aufblies und dann doch zwei Ringe weniger schoß. So ließ ich ihn denn mit dem nicht zu unterschätzenden Raffinement des Kindes ab und zu gewinnen, denn ich wollte ihn ja noch immer für einen Hund herumkriegen.
Doch wiederum geschah nach einigen Wochen etwas, was mich meine Sehnsucht vorübergehend vergessen ließ. Die Familie beschloß, die Mama und
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