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Gute Nacht Jakob

Gute Nacht Jakob

Titel: Gute Nacht Jakob Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Bentz
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die Schnauze!« bemerkte der Lange beiläufig. »Das is kein Familienausflug, sondern ‘n Geschäft!« Und dann zu mir: »Soll ich ‘n gleich mitbring’n?«
    »Klar, Mensch!«
    »Wiedersehn!«
    »Wiedersehn!«
    Ich ließ mir mit wehem Herzen Jakob von der Hand nehmen. Er biß fauchend um sich. Dann steckten sie ihn in den Sack und hoben ihn auf. Ich schulterte mein Gewehr und rannte mit großen Sprüngen nach Hause.
    Dort überfiel ich die Mama mit der Neuigkeit. Ich hatte mir zuerst allerhand psychologische Umwege ausgedacht, um sie günstig zu stimmen. So wollte ich mir zum Beispiel die Nägel reinigen und mich von ihr mit der lateinischen Grammatik auf den Knien >überraschen< lassen. Aber all das zerstob in nichts. »Mama!« schrie ich, als ich vor ihr stand. »Mama... ich hab’ eine zahme Dohle! Jakob! Oben im Wald! Nachher bringen sie ‘n ‘runter! Ich muß ihn haben, Mama... er soll fünfzehn Mark kosten, aber er wird noch billiger, du mußt ihn nur sehen, ganz zahm, kommt auf den Finger und spricht! Dafür ist er doch wirklich geschenkt, nicht wahr?«
    Es dauerte eine ganze Weile, bis sie durch geduldiges Fragen aus mir herausbekam, worum es sich eigentlich handelte. Dann wehrte sie entsetzt ab: »Unmöglich! Opapa würde das nie erlauben! Stell dir vor, ein Vogel, der in einer Stadtwohnung herumläuft und herumfliegt...«
    »Er kann ja gar nich fliegen, sie ham ihm doch die Flügel gestutzt!«
    »Na, dann flattert er wenigstens. Stell dir vor, wenn er Opapa auf seine Soldaten flattert oder in die Briefmarken hackt! Oder wenn er uns mit den Krallen in die Haare kommt! Außerdem ist doch so ein Tier nicht sauber! Er macht doch überall hin!«
    »Aber man kann ihm doch ‘n Lappen unterlegen, das ham die schon gesagt«, erklärte ich, dem Weinen nahe. Ich nahm ihre Hand, diese lange, schmale Hand, die ich immer bewunderte: »Mama... Mamachen... ich muß den Jakob haben, ich will ja auch gar keinen Hund... aber der Jakob... wenn du ihn siehst, er ist so süß und so klug! Und ich habe dann einen Freund! Sieh ihn dir doch wenigstens an!«
    Sie strich mir über den Kopf, und ganz hinten in ihren Augen sah ich ein Lächeln, dann seufzte sie (sie seufzte immer, sehr gern und mit Genuß): »Na, also schön. Ich werde ihn mir ansehen. Aber ich habe dir nichts versprochen, denke daran!«
    Die Bande war schon um drei Uhr da, eine Stunde früher. Da hatte ich aber schon, den Mittagsschlaf verweigernd, eine Stunde hinter der Gardine gestanden. Schließlich tauchten sie auf, das O-Bein hatte Jakob auf der Hand. Ich rannte hinunter und fing sie an der Gartentür ab: »Laß ‘n erst mal was machen«, flüsterte ich, »damit’s nich gleich losgeht, wenn meine Mutter ihn sieht!«
    Wir warteten geduldig, bis das Naturereignis stattfand. Dann nahm ich Jakob auf den Arm. Der Lange kam mit ‘rein, gab der Mama sehr manierlich die Hand und machte sogar eine tiefe Verbeugung. Ich hatte mir schon in der Küche ein Brötchen erbettelt, die Krume herausgenommen, in Milch getaucht und zwischen den Fingern gerollt. Mama durfte Jakob solch einen Semmelwurm reichen, den er umgehend verschlang. Ich weiß nicht, ob es das Weibliche an ihr war, jedenfalls behandelte er sie als Vogelmutter, sperrte den Schnabel auf, zitterte mit den Flügeln und verlangte nach mehr. »Na, das ist ja süß!« sagte die Mama und kniff gleich wieder den Mund zu, als habe sie zuviel zugegeben. Als Jakob schließlich satt war, stieg er auf ihre Hand über, sie kraulte ihn auf dem Kopf, und er sträubte prompt die Federn. Dann knabberte er vorsichtig an ihrem Ring, während er ein leises und zärtliches >Gack-gack-gack< ausstieß.
    »Gib ‘n mir mal wieder!« sagte ich, denn ich hatte den Eindruck, daß er ein nachdenkliches Gesicht machte und demzufolge wieder etwas fallen lassen würde. Das fand auch statt, aber Gott sei Dank in dem Augenblick, da die Mama mit dem Langen über den Preis zu verhandeln begann. Schnell wischte ich den Fleck mit dem Putzlappen weg, den ich die ganze Zeit hinter dem Rücken gehalten hatte. Dann sah ich auf die Uhr und stellte mit der von Opapa übernommenen militärischen Pedanterie fest: Durchschnittliche Feuergeschwindigkeit zwölf Minuten, macht fünfmal pro Stunde.
    Aber das Wichtigste war ja, daß die Mama schon über den Preis verhandelte. Es gab ein langes Hin und Her. Mehrmals erklärte sie, dann wolle sie lieber nicht, und jedesmal wurde ich ganz blaß vor Angst. Schließlich einigte man sich auf zehn Mark, und von

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