Gute Nacht, Peggy Sue
zu tätigen. Er war unvermeidlich. Sie mußte Adam Quantrell mit der Sachlage konfrontieren.
Das Rufzeichen ertönte zweimal. Dann meldete sich eine Männerstimme: »Hier bei Quantrell. Thomas am Apparat.«
»Hier spricht Dr. Novak.«
»Ah, ja … Dr. Novak. Ich hoffe, das Auto funktioniert zu Ihrer Zufriedenheit.«
»Ja, danke. Ist Mr. Quantrell zu Hause?«
»Er ist leider gerade aus dem Haus gegangen. Zu einer Abendveranstaltung. Das Benefizdinner beim Bürgermeister. Möchten Sie ihm eine Nachricht hinterlassen?«
Wie sollte die nur lauten?
überlegte sie.
Daß ich die Wahrheit kenne? Daß es seine Firma, seine Droge ist, die die Leute umbringt?
»Dr. Novak? Sind Sie noch da?« fragte Thomas in ihr anhaltendes Schweigen hinein.
Sie faltete Dietz’ Nachricht zusammen und steckte sie in die Tasche. »Nein, keine Nachricht, Thomas. Danke«, sagte sie. »Ich sehe ihn beim Dinner.«
Dann legte sie auf und verließ ihr Büro.
7
M . J. brauchte eineinhalb Stunden, um nach Hause zu fahren, sich umzuziehen und sich erneut durch den Verkehr in die City zu kämpfen. Als sie sie endlich erreicht hatte, ging auf der Dorchester Avenue, die zum Hotel Four Seasons führte, fast nichts mehr. Die zahlreichen roten Ampeln gaben ihr allerdings Zeit, ihr offenes Haar zu kämmen, Lippenstift aufzutragen und die Wimpern zu tuschen. Selbst eine Tonne Puder hätte die Blutergüsse und Kratzer in ihrem Gesicht nicht übertünchen können. Aber zumindest hatte sie ein passendes Seidentuch gefunden, unter dem sie die Narbe am Hals verbergen konnte. Eigentlich sah es sogar richtig gut aus, das Tuch aus dunkelroter und purpurfarbener Seide über ihrem schwarzen Kleid. Zu schade, daß das Outfit unbedingt Schuhe mit hohen Absätzen erforderte. Sie wußte, daß ihre Füße sie noch vor Ende des Abends umbringen würden.
Im Ballsaal des Four Seasons drängte sich eine wogende Menschenmenge. M. J. schätzte, daß man mit dem Erlös der im Saal vertretenen Pelze und Juwelen locker das Jahresbudget der Stadt hätte bestreiten können. Es war ein luxuriöses Buffet mit Shrimps und geräuchertem Lachs, Pasteten und Kaviar aufgebaut worden, serviert auf richtigem Porzellan. Ein Balalaika-Ensemble spielte russische Weisen … Zeichen der Verbundenheit mit Albions Partnerstadt an der Wolga, die sich in einer ähnlich mißlichen wirtschaftlichen Lage befand. M. J. gab ihre Einladungskarte an der Tür ab und stürzte sich in den Trubel.
Sekunden später war ihr wieder sonnenklar, weshalb sie offizielle Anlässe wie diesen haßte, besonders, wenn sie ohne männliche Begleitung erscheinen mußte. Kam man mit einem Begleiter, war man automatisch ein homogener Teil der Gesellschaft, kam man allein, war man praktisch unsichtbar.
Sie nippte am unvermeidlichen Glas Weißwein, drängte sich kreuz und quer durch die Menge und suchte nach vertrauten Gesichtern, nach jedem auch nur halbwegs bekannten Gesicht. Meistens sah sie nur Smokings, Nerze und tadellose Zähne hinter perfektem Lächeln.
Dann hörte sie ihren Namen. Sie drehte sich um und erkannte ihren Exmann. »Und ich dachte schon, ich kriege deine Stimme nicht«, sagte er beim Näherkommen.
»Ist nicht gesagt, daß ich sie dir gebe. Ich bringe es nur nicht übers Herz, eine Gratis-Einladung zum Essen auszuschlagen.«
»Hey, ich möchte, daß man ein Foto von uns macht. Mit dir und dem Bürgermeister.« Er sah sich um und entdeckte Sampson in einer Ecke, umgeben von Speichelleckern. »Da ist er ja. Komm mit!«
»Ich nehme keine Fototermine wahr.«
»Nur dieses eine Mal.«
»Ich habe dir schon gesagt, daß ich nicht hier bin, um ihn zu unterstützen. Ich bin hier, um ein paar Drinks abzustauben und …« Sie hielt inne. Ihr Blick war am blonden Haar eines Mannes hängengeblieben. Adam Quantrell sah sie nicht. Er stand ihr seitlich zugewandt, war in die Unterhaltung mit einem anderen Mann vertieft. An Adams Seite war Isabel, ihr ebenfalls blondes Haar mit falschen Perlen zu einer eleganten Frisur aufgesteckt.
Das perfekte Paar,
dachte sie.
Ein faszinierendes Paar in Smoking und Abendkleid. Die Art von Society-Paar, das man in Hochglanzbroschüren bewundern konnte.
Adam mußte gespürt haben, daß er beobachtet wurde. Er sah automatisch in ihre Richtung und erstarrte, als er sie erkannte. Zu M. J.s Überraschung brach er seine Unterhaltung abrupt ab und bahnte sich einen Weg quer durch den Saal in ihre Richtung. Sie sah aus den Augenwinkeln, wie Isabel irritiert die Stirn runzelte, wie sich
Weitere Kostenlose Bücher