Gute Nacht, Peggy Sue
das?«
»Das Krankenhaus konnte den Stoff nicht identifizieren. Also haben sie die Blutprobe an das Labor des MassachusettsInstituts geschickt. Und wie’s der Zufall wollte … Sie konnten ihn identifizieren.«
»Da sind noch zwei Drogentote …«
»Ja, und mit deren Blutproben ist was ganz Komisches passiert. Die von unserer unbekannten Frauenleiche ist irgendwo zwischen dem Leichenschauhaus und dem Labor verlorengegangen. Und was die Blutproben von Xenia Vargas betrifft … Nun, ich traue keinem Ergebnis, das ich in diesem Fall bekomme. Eigentlich erwartete ich sogar, daß ihre Blutprobe ebenfalls verlorengeht.«
»Finden Sie nicht, daß das reichlich paranoid klingt?«
»Paranoid? Nein. Ich fürchte, viel Phantasie hatte ich nie. Ist eines meiner Defizite.«
Er trat dichter zu ihr, so bedrohlich nahe, daß sie dem Impuls widerstehen mußte, zurückzuweichen. »Was auch immer Ihre Defizite sein mögen, Dr. Novak, der Mangel an Phantasie gehört nicht dazu.«
»Lassen Sie mich die Tatsachen auf den Tisch legen. Sie sind beunruhigend, aber wahr. Zuerst sind die Proben der unbekannten Frauenleiche verlorengegangen. Ich weiß, daß ich sie persönlich versandfertig gemacht habe. Ich habe die richtigen Formulare ausgefüllt, sie richtig adressiert und sie in den richtigen Korb gelegt.«
»Der Kurier könnte sie verloren haben. Oder sie könnten aus seinem Wagen gestohlen worden sein. Es gibt zahllose Möglichkeiten.«
»Dann ist da die Sache mit Xenia Vargas. Ihre Proben haben’s glatt bis ins staatliche Labor geschafft. Aber die konnten die Droge nicht identifizieren. Also haben sie sie an ein unabhängiges wissenschaftliches Labor zur Untersuchung weitergeleitet. Und raten Sie mal, an welches Labor?« Sie sah ihm direkt in die Augen. »An die Cygnus-Laboratorien.«
Er zuckte nicht einmal mit der Wimper. Ruhig erwiderte er: »Wir erfüllen routinemäßig Aufträge des staatlichen Labors. Wir sind schließlich nur dreißig Meilen entfernt, und wir sind besser ausgerüstet.«
»Drittens ist da die Sache mit Dr. Michael Dietz. Nicos Biagis behandelnder Arzt. Er identifiziert die Droge als Zestron-L. Dann kündigt er beim Hancock General und verläßt die Stadt. Ich glaube, daß er von der Klinik gezwungen wurde, den Hut zu nehmen. Weil die Firma Cygnus nämlich ganz zufällig ein Hauptgeldgeber des Hancock General ist.«
»Cygnus hatte mit Dietz’ Kündigung nichts zu tun. Er wollte längst gehen.«
»Woher wissen Sie das?«
»Ich sitze im Verwaltungsrat der Klinik. Dietz drohten bereits drei Klagen wegen Kunstfehlern. Das war mehr, als wir tolerieren konnten. Der Mann war eine tickende Zeitbombe. Seine Approbation stand auf dem Spiel.«
M. J. dachte nach. Was Adam sagte, würde Dietz’ Angst vor der Presse erklären. Publicity konnte er in seiner Lage nicht gebrauchen.
»Aber Zestron-L
ist
Ihre Droge. Und jemand versucht, die Gerichtsmedizin an der Identifizierung der Substanz zu hindern. Jemand deckt Cygnus.«
Adam Quantrell begann vor dem Brunnen auf und ab zu gehen. »Das ist absurd«, murmelte er. »Ich glaube einfach nicht, daß es sich um unsere Substanz handelt.«
»Ein Laborergebnis ist kaum anfechtbar. Nicht mal von Ihnen.«
Er blieb stehen und sah sie an. Die Farbspiele des Brunnens tauchten alles in ein unwirkliches, wasserblaues Licht.
»Nein«, seufzte er. »Da haben Sie recht. Nicht mal von mir.«
Angesichts seines ruhigen Blicks wuchs in ihr der Wunsch, daß es zwischen ihnen keine Lügen, keine verborgenen Tricks geben möge, daß seine Verwirrung nicht gespielt war.
Ein Paar graublauer Augen, ein Smoking, ein Mann, zu gut, um wahr zu sein, und meine Instinkte rutschen unter die Gürtellinie. Was ist nur los mit mir?
»Kommen Sie!« sagte er unvermittelt und streckte die Hand aus.
Sie rührte sich nicht vom Fleck, war selbst erschüttert, wie groß die Versuchung für sie war, seine Hand zu ergreifen, sich von seiner Wärme umfangen zu lassen. Genau dagegen hatte sie sich vom ersten Augenblick an gewehrt, gegen dieses wachsende Verlangen.
Er hielt ihr noch immer die Hand hin, hielt sie noch immer mit diesem Blick gefangen, dessen Wirkung sie sich offenbar nicht zu entziehen vermochte. »Kommen Sie, M. J.!« wiederholte er.
»Wohin?«
»Zu Cygnus. Ins Labor. Noch heute nacht will ich die Antworten wissen. Und Sie kommen mit. Als Zeugin.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht sicher, ob Ihnen die Antworten gefallen.«
»Gut möglich. Andererseits weiß ich, daß Sie
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