Gute Nacht, Peggy Sue
Ergebnisse von einem anderen Fall durch. Xenia Vargas. Die Proben habe ich am vierten April eingeschickt. Haben Sie die wenigstens?«
»In meinem Buch sind sie eingetragen. Lassen Sie mich nachsehen …« Es folgte eine Stille, die nur durch das Klicken einer Computertastatur unterbrochen wurde. Dann sagte die Laborantin: »Die sind an ein anderes Labor weitergeleitet worden.«
»Warum?«
»Hier steht: ›Nicht spezifizierbare Opiate festgestellt. Mit herkömmlichen Techniken nicht bearbeitbar. Proben weitergeleitet an unabhängiges wissenschaftliches Labor.‹ Mehr habe ich nicht.«
»Wann kriege ich ein Analyseergebnis? Irgendwann?«
»Irgendwann.«
»Danke.« M. J. legte auf. Sie hatten es tatsächlich mit einer völlig neuen Substanz zu tun. Mit einem Stoff, den nicht einmal das staatliche Labor identifizieren konnte.
Aber das war nur ein Fall. Um einen Trend nachzuweisen, brauchte sie zumindest einen zweiten.
Sie stand auf und zog ihren Laborkittel an. Dann ging sie den Korridor zur Leichenhalle hinunter. Einer der Wärter der Tagesschicht räumte gerade auf. Er sah sie an.
»Hallo, Doc«, sagte er. »Was gibt’s?«
»Hal, erinnern Sie sich an die Proben, die ich Montag abgeschickt habe? Die von der weiblichen Unbekannten? Ich hatte sie in den Korb für die Ausgänge gelegt. Haben Sie gesehen, wie der Kurier sie abgeholt hat?«
»Sagen Sie jetzt bloß, daß schon wieder was verlorengegangen ist!«
»Das Labor hat die Sendung jedenfalls nie erhalten.«
Hal verdrehte die Augen. »Yeah, ich hab gehört, wie sie Doc Ratchet dieselbe Geschichte verkauft haben. Was soll ich machen? Neue Proben rüberbringen?«
»Wenn Sie möchten.« Sie sah auf die Uhr. »Jetzt ist es vier. Machen Sie eine Überstunde. Damit dürfte die Fahrt abgegolten sein. Und vergewissern Sie sich, daß das Zeug wirklich in die Bücher eingetragen wird.«
»Klar doch.«
Das lange Warten auf die Ergebnisse würde von vorn beginnen. Zum Glück hatten sie der unbekannten Frauenleiche mehrere Blut- und Urinproben abgenommen. Es war zwar selten, daß Proben verlorengingen, aber es kam vor.
Die Kopfschmerzen meldeten sich wieder, ein Souvenir des nächtlichen Treibens in South Lexington. Sie sollte früh nach Hause fahren, die Beine hochlegen und sich vom Opium fürs Volk, sprich vom Fernsehprogramm, betäuben lassen. Leider hatte sich auf ihrem Schreibtisch zuviel Papierkram angesammelt.
»Ach, vergiß es«, murmelte sie vor sich hin. »Ich fahre nach Hause.«
Dann sah sie den Umschlag, der zuoberst auf einem Stapel lag. Er war an Dr. Novak adressiert. Absender oder Poststempel fehlten. Jemand mußte ihn unten am Empfang abgegeben haben.
Sie öffnete den Umschlag und las das Schreiben:
Nicos Biagis Testergebnisse sind gerade vom MIT-Labor gekommen. Sie haben eine neue Generation von Narkotika mit Langzeitwirkung, der Laevo-N-Cyclobutylmethyl-6, 10-BetaDehydroxyd-Klasse festgestellt. Von der Überwachungsstelle für Lebens- und Arzneimittel nicht zum menschlichen Gebrauch zugelassen. MIT sagt, Untersuchungen im Vorfeld eines Patentantrages seien vor einem halben Jahr angemeldet worden. Handelsname: Zestron-L. Antragsteller: Cygnus Corporation. Tut mir leid, daß ich Sie im Stich gelassen habe, aber ich habe schon genug Probleme. Viel Glück, Novak. Sie werden es brauchen.
Mike Dietz
Die
Cygnus Corporation.
Sie starrte auf den Namen. Die Enthüllung traf sie wie ein Schlag.
Danke, Dr. Dietz, Sie elender Feigling. Werfen mir einfach eine Stinkbombe auf den Schreibtisch, ziehen den Schwanz ein und verduften.
Sie griff nach dem Telefonhörer und rief erneut das staatliche Labor an.
»Wegen dieser toxikologischen Untersuchung bei Xenia Vargas«, sagte sie. »Ich möchte gern, daß Sie die Proben auf einen bestimmten Stoff untersuchen. Er heißt Zestron-L.«
»Da müssen Sie direkt mit dem unabhängigen Labor sprechen. Die führen jetzt die Untersuchungen durch.«
»Okay Ich rufe sie an. Wohin haben Sie die Proben geschickt?«
»Zu den Cygnus-Laboratorien in Albion. Brauchen Sie die Nummer?«
M. J. antwortete nicht. Sie starrte auf die Nachricht von Dietz und auf den Namen
Cygnus.
Pharmazeutisches Unternehmen. Wissenschaftliche Laboratorien. Wie viele Tentakeln hatte das Ungeheuer eigentlich?
»Dr. Novak?« fragte die Laborantin am anderen Ende.
»Brauchen Sie die Telefonnummer der CygnusLaboratorien?«
»Nein«, erwiderte M. J. leise und legte auf.
Sie brauchte einige Minuten, bis sie den Mut aufbrachte, den nächsten Anruf
Weitere Kostenlose Bücher