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Gute Nacht, Peggy Sue

Gute Nacht, Peggy Sue

Titel: Gute Nacht, Peggy Sue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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seine einzige, dafür aber eine vielsagende Reaktion.
    »Ich weiß, daß er hellbraunes Haar hatte. Und grüne Augen«, erklärte M. J. »Und ich weiß, daß er einen hübschen Wagen fuhr … daß er Geld hatte … was meine Mutter damals verzweifelt brauchte. Also …« Sie lächelte. »Tja, so bin ich entstanden. Mit grünen Augen und allem Drum und Dran.«
    Sie erwartete Entsetzen oder vielleicht Mitleid in seinem Blick zu sehen, aber da war weder das eine noch das andere. Seine Miene blieb absolut neutral.
    »Wie Sie sehen«, fuhr sie fort, »bin ich so was wie eine Promenadenmischung. Obwohl meine Mutter behauptet hat, adeliges spanisches Blut in den Adern zu haben. Aber Mama hat gegen Ende viel ungereimtes Zeug geredet.«
    »Dann ist sie …« Er verstummte diskret.
    »Tot. Seit sieben Jahren.«
    Er hob den Kopf. Die nächste Frage stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben.
    »Mama konnte so richtig absurde Sachen vom Stapel lassen«, fuhr M. J. fort. »Und in meinem letzten Jahr an der Uni hatte sie jeden Morgen Kopfschmerzen. Ich bin es gewesen, die den Gehirntumor schließlich diagnostiziert hat.«
    Adam schüttelte den Kopf. »Das muß furchtbar gewesen sein.«
    »Die Diagnose weniger. Vielmehr das, was danach kam. Das Warten auf das Ende. Ich habe viel Zeit im Hancock General verbracht. Habe gelernt, die Klinik aufrichtig zu hassen … und festgestellt, daß ich kranke Menschen nicht ertragen kann.« Sie schüttelte den Kopf und lachte. »Man stelle sich das vor!«
    »Also haben Sie sich fürs Leichenschauhaus entschieden.«
    »Da ist es ruhig. Und hübsch übersichtlich.«
    »Ein Versteck.«
    Wut flammte in ihr auf, doch sie unterdrückte sie. Schließlich hatte er recht. Das Leichenschauhaus war ein Versteck. Ein Versteck vor all den schmerzlichen Gefühlen, denen man in den Abteilungen eines Krankenhauses überall ausgesetzt war.
    »Mir gefällt’s«, meinte sie schlicht und wandte sich ab. »Sie haben nicht zufällig was Eßbares hier?« fragte sie. »Der Wein ist mir zu Kopf gestiegen.«
    Er stand von der Couch auf und ging zum Kühlschrank.
    »Normalerweise habe ich immer ein paar Sandwiches im Kühlschrank … für unverhofften Geschäftsbesuch. Ah, ja.«
    Er förderte zwei mit Plastik überdeckte Teller zutage.
    »Warten Sie … Roastbeef oder … Roastbeef? Tolle Auswahl.« Zerknirscht reichte er ihr einen Teller. »Tut mir leid, aber mit dem Büffet bei der Benefizgala des Bürgermeisters kann ich nicht mithalten.«
    »Ist schon in Ordnung. Hab meine Einladung sowieso nicht bezahlt.«
    Er lächelte. »Ich auch nicht.«
    »Aha?«
    »Ich hab das Ticket von Isabel. Sie ist ein großer Fan von Bürgermeister Sampson.«
    »Nicht zu fassen.« M. J. nahm die Zellophanhülle vom Sandwich und biß hinein. »Der Mann ist Albions Titanic. Das ist meine Meinung.«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Sehen Sie sich doch bloß South Lexington an. Sampson würde die ganze Gegend am liebsten ignorieren. Er steckt alles Geld in die Vorstädte. Bellemeade und wie sie alle heißen. Und die City? Kann man vergessen. Unsere namenlose Leiche und Nicos Biagi interessieren ihn nicht.« Sie setzte sich wieder auf die Couch und zog die Füße auf die Polster.
    Er setzte sich ebenfalls. Nicht zu nah, wie sie mit einer Mischung aus Erleichterung und Enttäuschung feststellte. In »angemessenem« Abstand. Wie ein guter Gastgeber.
    »Um ehrlich zu sein«, gestand er, »ich bin auch kein Fan von Sampson. Aber Isabel brauchte einen Begleiter.«
    »Und Sie hatten keine besseren Angebote für den Abend?«
    »Nein.« Er griff nach einer Scheibe Roastbeef. Seine tadellosen weißen Zähne bissen in rosarotes Fleisch. »Nicht, bis Sie aufgetaucht sind.«
    M. J.s Hand verharrte auf halbem Weg zum Mund in der Luft. Sein Blick war für ihren Geschmack zu durchdringend. Sie traute ihm nicht. Aber was noch schlimmer war – sie traute sich nicht. Trotzdem verfing sie sich immer tiefer in jenem Spinnennetz des Verlangens, das sich unaufhörlich um sie beide zusammenzog. Was danach kam, konnte nur ein Fehler sein. Und nie in ihrem Leben war sie der Versuchung so ausgeliefert gewesen.
    Sie stellte den Teller auf den Couchtisch und wischte sich die Finger langsam an der Serviette ab. »Sie können mit mir flirten, bis Sie schwarz werden«, erklärte sie. »Es ändert nichts. Ich habe einen Job zu erledigen. Da sind Fragen, die beantwortet werden müssen.«
    »Und Verdächtige, die sie verdächtigen müssen.«
    »Richtig.«
    »Macht mir nichts

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