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Gute Nacht, Peggy Sue

Gute Nacht, Peggy Sue

Titel: Gute Nacht, Peggy Sue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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genommen. Sogar die Kleider.
    Und wenn M. J. sich je im Leben wehrlos und ausgeliefert gefühlt hatte, dann in diesem Moment.
    Sie kauerte auf ihrem Stuhl, den Bademantel über der Brust zusammengerafft, den Blick auf die Tischdecke gerichtet. Sie hörte, wie Shradick und Beamis sich verabschiedeten, registrierte schwach ihren Abgang, die verhallenden Schritte. Dann ertönte das dumpfe Geräusch, als die Haustür hinter ihnen ins Schloß fiel. Verschlossene Türen. Das war es, was sie sah, wenn sie in die Zukunft blickte. Verschlossene Türen, verborgene Gefahren.
    Einst war ihr das Leben tröstlich vorhersehbar vorgekommen. Man fuhr jeden Morgen ins Büro und abends wieder nach Hause. Zweimal im Jahr machte man Urlaub, alle Jubeljahre hatte man ein Date. So kämpfte man sich von Stufe zu Stufe, bis man Wheelocks Stelle als Leiter der Gerichtsmedizin erreicht hatte. Eine todsichere Sache, hatte er ihr einmal gesagt.
    Jetzt wurde sie daran erinnert, daß nichts sicher war. Nicht ihre Zukunft. Nicht einmal ihr Leben.
    »Du bist nicht allein, M. J.«, sagte Adam.
    Sie sah auf, und ihre Blicke trafen sich.
    »Wenn du etwas brauchst«, fuhr er fort, »du mußt es nur sagen …«
    »Danke«, erwiderte sie mit einem Lächeln. »Aber ich bin eine schlechte Almosenempfängerin.«
    »Das habe ich nicht gemeint. Du bist für mich kein Fall für die Wohlfahrt.«
    »Aber genau das bin ich doch im Moment.« Sie stand auf und ging auf und ab. »So was wie eine … Obdachlose. Die in deinem Gästezimmer kampiert.«
    Zu ihrer Überraschung lachte er unvermittelt. »Wenn ich ehrlich sein soll«, gab er zu, »siehst du heute morgen wirklich ein bißchen abgerissen aus. Wo hast du übrigens diesen scheußlichen Bademantel aufgestöbert?«
    Sie sah an sich herab auf den abgewetzten Frotteestoff und mußte plötzlich ebenfalls lachen. »In deinem Wäscheschrank. Irgendwas mußte ich schließlich anziehen. Ich hatte die Wahl zwischen dem hier und einem Handtuch. Wo sind übrigens meine Kleider?«
    »Bedauerlicherweise mußte Thomas sie wegwerfen.«
    »Er hat meine Sachen weggeworfen?«
    »Du kriegst neue. Sie werden ins Haus geliefert.«
    »Und solange … soll ich so rumlaufen?«
    »Mir macht’s nichts aus. Ehrlich. Auch gegen ein Handtuch hätte ich nichts.«
    Sie fing seinen amüsierten, leicht nach unten gerichteten Blick auf und merkte, daß der Bademantel über ihren Brüsten erneut aufklaffte. Gereizt raffte sie ihn oben wieder zusammen. »Behandelst du alle deine weiblichen Logiergäste so? Wirfst ihre Klamotten weg und erwartest, daß sie mit deinen abgelegten Sachen improvisieren?«
    »Nein, da bist du privilegiert. Die anderen kriegen nur Handtücher. Gästehandtücher.«
    Damit brachte er sie erneut zum Lachen. Sie setzte sich. Ihr Blick fiel auf den Aktenstapel auf dem Tisch. »Was ist das denn?«
    »Lieutenant Beamis hat das gebracht. Es sind Polizeiakten. Oder vielmehr Fotokopien dieser Unterlagen.«
    »Er hat sie dir
gegeben?
Das darf er gar nicht.«
    »Geht nur ihn und mich was an. So nach dem Motto, eine Hand wäscht die andere, könnte man sagen.«
    »Aha? Und was sind das für Akten?«
    Adam griff nach dem obersten Ordner. »Ich habe hier Nicos Biagi. Und Xenia Vargas. Und die weibliche Unbekannte.« Er sah sie beinahe entschuldigend an. »Ich will ehrlich zu dir sein, M. J. Ich habe nicht wegen dir um diese Akten gebeten … sondern wegen mir, wegen Cygnus. Ich kann die Fakten nicht wegdiskutieren. Da draußen auf der Straße kursiert meine Droge und bringt Leute um. Ich möchte wissen, wie sie in ihre Hände gekommen ist.«
    Sie konzentrierte den Blick auf den obersten Ordner. »Sehen wir mal nach, was drinnen ist.«
    Er schlug Nicos Biagis Akte auf. »Namen und Adressen. Seine Familie weiß möglicherweise, wo er den Stoff gekauft hat.«
    »Die reden nicht. Sogar Beamis hat nichts aus ihnen rausgekriegt.«
    »Überrascht dich das? Sie riechen doch einen Cop eine Meile gegen den Wind. Deshalb werde ich sie fragen.«
    »Bin gespannt, was sie bei dir riechen.«
    »Den Duft frischer Dollarscheine? Kann sehr überzeugend sein.«
    »Adam, in den Projects kannst du nicht mit einer prallen Brieftasche rumspazieren.«
    »Fällt dir ein besseres Lockmittel ein?«
    »Wenn du ohne Schutz da reingehst, verspeisen sie dich zum Frühstück.«
    »Wie komme ich dann an diese Leute ran?« fragte er und deutete auf die Akten. »Ich habe schon ein halbes Dutzend Privatdetektive verschlissen, um Maeve zu finden. Mein Vertrauen in die

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