Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gute Nacht, Peggy Sue

Gute Nacht, Peggy Sue

Titel: Gute Nacht, Peggy Sue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
Vom Netzwerk:
erstaunlichen Gedächtnis.«
    Sie schüttelte den Kopf und lachte. »Ich weiß nicht, was ich von dir halten soll, Quantrell. Manchmal denke ich, du flirtest mit mir. Dann wieder denke ich, ich bilde mir das nur ein.«
    »Warum sollte ich nicht? Du weißt, wie anziehend ich dich finde.«
    »Warum?«
    Er seufzte. »Man fragt in einer solchen Situation nicht ›Warum?‹ Man sagt: ›Und ich finde dich anziehend!‹«
    »Nichtsdestotrotz …
Warum?
«
    Er sah sie überrascht an. »Ist das so schwer zu verstehen? Daß ich dich attraktiv finde?«
    »Ich glaube, es ist nur, weil ich für dich eine neue Erfahrung bin«, sagte sie. »Weil ich nicht wie deine anderen … Begleiterinnen bin.«
    »Stimmt.«
    »Deshalb würde es auch nie funktionieren.«
    »Wie kann man nur so pessimistisch sein!« stöhnte er. Er drückte erneut ihren Arm, warf ihr ein Lächeln zu und konzentrierte sich wieder auf die Straße.
    So
einfach ist das also für ihn,
dachte sie.
Er schenkt mir ein lächeln, bringt mein Herz aus dem Takt, und dann konzentriert er sich wieder aufs Fahren.
    Das ist nicht gesund, Novak. Alles andere als gesund.
    Und du steckst bereits bis über beide Ohren drin …
    Rockbrook war eine jener anonymen Vorstädte, die sich am Rand von Großstädten bilden. Es war eine Zuckerbäckerwelt mit kurz gehaltenen Rasenflächen, zwei Autos in jeder Garage und Höfen voller Kinderräder. Das Haus, in dem Herbert Esterhaus lebte, hatte keine Fahrräder im Vorgarten und nur einen Wagen im Carport, aber ansonsten war es typisch für die Gegend – ein einzeln stehendes Haus, sorgfältig gepflegt, mit einem Backsteinweg zur Haustür und Azaleenbüschen zu beiden Seiten.
    Es schien niemand zu Hause zu sein. Sie klingelten, klopften, aber niemand meldete sich, und die Haustür war verschlossen.
    »Und jetzt?« fragte M. J. Sie sah die Straße hinauf. Einen Block weiter spielten zwei Jungen Basketball vor der Garagentür. Das Knattern eines Rasenmähers dröhnte aus irgendeinem Garten zu ihnen herüber.
    Sie gingen um das Haus zum Carport. »Sein Wagen ist da«, bemerkte Adam. »Und auf dem Sitz liegt die Zeitung von heute. Er muß ihn also gefahren haben.«
    »Aber wo ist er dann?« fragte M. J.
    Adam ging zum Seiteneingang. Die Tür war unverschlossen. Er steckte den Kopf durch die Tür und rief: »Herb? Sind Sie zu Hause?«
    Es kam keine Antwort.
    »Vielleicht sollten wir drinnen nachsehen«, schlug M. J. vor.
    Sie traten in die Küche. »Herb!« rief Adam erneut. Eine bleierne Stille schien über dem Haus zu liegen. Die Luft roch abgestanden, als seien tagelang weder Fenster noch Türen geöffnet worden.
    M. J. entdeckte einen Schlüsselbund auf dem Küchentisch. Es kam ihr komisch vor, daß ein Mann das Haus ohne seine Schlüssel verlassen haben sollte.
    »Vielleicht rufst du am besten Thomas an«, schlug sie vor.
    »Könnte doch sein, daß sich Esterhaus noch mal gemeldet hat.«
    »Gute Idee.« Adam sah sich nach dem Telefon um. Es war keines zu entdecken. »Ich schau mal ins Wohnzimmer«, erklärte er und verließ die Küche.
    Sekunden später hörte M. J. ihn sagen: »Großer Gott!«
    »Adam!« rief sie. Sie rannte aus der Küche und durchs Eßzimmer. Durch die offene Tür zum Wohnzimmer sah sie Adam, der vor der Couch stand. Er wirkte wie paralysiert, unfähig sich zu bewegen. »Adam?«
    Langsam drehte er sich zu ihr um. »Da … ist er.«
    »Was?« Sie ging durch das Wohnzimmer. Erst als sie die Couch umrundet hatte, sah sie den blutroten, nassen Fleck auf dem Teppich. Über der Blutlache ausgestreckt lag ein Arm, die Finger weiß und zur Faust geballt.
    Die Hand von Herbert Esterhaus.

11
    D as Blitzlichtgewitter des Polizeifotografen ließ M. J. zusammenzucken. Er war ein alter Hase von der Spurensicherung, der sich seine Perspektiven mit fast gelangweilter Abgeklärtheit aussuchte. Der flackernde Blitz, die Geräuschkulisse von zu vielen Menschen, die alle durcheinander redeten, das Heulen der Sirene des x-ten Streifenwagens, der am Tatort eintraf – das alles raubte M. J. allmählich die Sinne. Sie war schon häufiger am Schauplatz von Verbrechen gewesen, hatte andere, ähnlich chaotische Ereignisse erlebt, aber diesmal war alles anders. Das Opfer war ein Mensch, den sie gekannt hatte, jemand, dem sie erst vor wenigen Tagen die Hand geschüttelt hatte. Bei diesem Toten fehlte ihr die nötige Distanz, und sie fühlte, wie sie sich automatisch an einen neutralen, sicheren Ort ihres Bewußtseins zurückzog, wo sie sich, nur

Weitere Kostenlose Bücher