Gute Nacht, Peggy Sue
hinaufgingen. »Kann ich Ihnen noch was bringen, Mr. Q.?« rief er ihnen nach.
»Eine Flasche Brandy. Und nehmen Sie das Telefon ab, ja?«
Thomas starrte auf das Telefon, das erneut zu klingeln begonnen hatte. Widerwillig nahm er den Hörer ab. »Bei Quantrell.« Er hörte kurz zu. Dann straffte er würdevoll die Schultern und sagte: »Mr. Quantrell hat Ihnen folgendes mitzuteilen: Fahren Sie zur Hölle!« Damit legte er auf und wirkte seltsam zufrieden.
»Der Brandy, Thomas!« rief Adam.
»Kommt sofort!« antwortete Thomas und verschwand in Richtung Bibliothek.
Adam schob M. J. sanft in Richtung Schlafzimmer.
»Komm«, flüsterte er. »Du siehst aus, als würdest du jeden Moment zusammenbrechen.«
Das war keine Übertreibung. Er hatte sie noch nie so bleich, so betroffen gesehen. Der Verlust ihres Hauses und jetzt dieser Mord … das waren Schläge, die nicht einmal eine so starke Frau wie M. J. wegstecken konnte.
Noch schlimmer als ihre äußerliche Erschöpfung war ihre Angst. Sie paßte nicht zu ihr; sie kauerte auf ihren Schultern wie ein fremder Dämon, den sie abzuschütteln versuchte. Aber es gelang ihr nicht. Ihr fehlte die Kraft.
Er brachte sie in sein Zimmer, setzte sie aufs Bett. Er nahm ihre Hände. Sie fühlten sich an wie Eis.
Thomas brachte ein Tablett mit einer Flasche Brandy und zwei Gläsern ins Zimmer.
»Stellen Sie es ab«, sagte Adam.
Thomas nickte und zog sich, diskret wie immer, zurück.
Adam schenkte ein Glas ein und gab es M. J. Sie starrte es ausdruckslos an.
»Brandy pur«, sagte er. »Die beste Medizin. Eine Familientradition der Quantrells.«
Sie trank einen Schluck. Dann schloß sie fest die Augen und flüsterte: »Ihr Quantrells habt feine Traditionen.«
Adam strich ihr sanft eine Haarlocke aus der Stirn. Ihre Haut fühlte sich kühl wie Marmor an, war so kalt wie die Haut einer Toten. Aber die Frau in dieser Haut war lebendig, zitterte und befand sich in Not.
»Wenn ich es nur wüßte«, sagte sie. »Wenn ich nur wüßte, wogegen ich kämpfe. Dann hätte ich nicht solche Angst.« Sie sah ihn an. »Das ist es, was ich fürchte. Daß ich es nicht weiß. Die ganze Welt ist plötzlich böse.«
»Nicht die ganze Welt. Ich bin auch noch da. Und ich passe auf dich auf …«
»Keine Versprechen, Adam.«
»Ich verspreche nichts. Es ist nur eine Feststellung. Solange du mich brauchst …«
Sie verschloß seinen Mund mit ihren Fingern. »Nicht, bitte. Du manövrierst dich nur in eine Ecke. Und dann fühlst du dich schuldig, wenn du dein Wort nicht halten kannst.«
Er griff heftig, geradezu verzweifelt nach ihrer Hand.
»M. J ….«
»Keine Versprechen!«
»Also gut. Wenn du es so willst. Keine Versprechen.«
»Von keinem von uns beiden. Das ist ehrlicher so.«
»Aber du bleibst hier. Solange es nötig ist. Es sei denn … es sei denn, es gibt einen Ort, wo dich wohler fühlst?«
Sie schüttelte den Kopf.
Ein Glücksgefühl und grenzenlose Erleichterung erfaßten ihn. Sie wollte bleiben. Bei
ihm
bleiben.
»Es gibt keinen anderen Ort«, sagte sie leise.
Der Blick, der ihn traf, aus ihren großen feuchten Augen, bar jeder Widerstandskraft, genügte, um ihm fast den Verstand zu rauben. Er hatte nicht vorgehabt, sie zu küssen, aber in diesem Moment sah sie aus, als habe sie einen Kuß dringend nötig. Er zog sie an sich, nahm ihr Gesicht in beide Hände.
Er war bloß eine flüchtige Berührung ihrer Lippen, die nach Brandy schmeckten. Keine Leidenschaft, keine Lust, nur Zärtlichkeit.
Und dann, wie ein Funken, der ein trockenes Holzscheit entflammt, flackerte etwas anderes hell und heftig auf. Er sah es in ihren Augen und sie in seinen. Sie starrten sich einen Moment verwundert und unsicher an. Adam widerstand dem Versuch, sie zu küssen. Sie war schwach und verwundbar. Er wußte, sie würde nachgeben, wenn er sie jetzt drängte. Dafür würde sie ihn am nächsten Morgen vermutlich hassen. Und das aus gutem Grund. Genau das wollte er auf keinen Fall.
Er holte tief Luft, als könne genügend Sauerstoff ihn ernüchtern, und rückte von ihr ab. »Schlaf hier, in meinem Zimmer. Da fühlst du dich sicherer.« Er stand auf. »Ich gehe rüber in deins.«
»Adam?«
»Morgen früh besprechen wir, was wir weiter unternehmen wollen. Aber heute nacht …«
»Ich möchte, daß du hierbleibst«, sagte sie. »In diesem Zimmer. Bei mir.«
Die letzten Worte waren nur ein heiseres Flüstern. Adam setzte sich langsam. Er versuchte durch die Angst in ihren Augen hindurchzusehen.
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