Gute Nacht: Thriller (German Edition)
großkalibrigen Handfeuerwaffe die Rede.«
»Es war eine Desert Eagle.«
»Dieses Kaliber-.50-Monster?«
»Richtig.«
»Sicher ein gefundenes Fressen für die Profiler.«
»Kannst du laut sagen. Aber das Merkwürdige war nicht bloß die Größe der Waffe. Nach den sechs Morden konnten wir zwei Kugeln sicherstellen, bei denen eine zuverlässige ballistische Untersuchung möglich war, dazu eine dritte, die für einen Prozess nicht verwendbar wäre, jedoch Rückschlüsse erlaubt.«
»Rückschlüsse worauf?«
»Die drei Schüsse wurden aus drei verschiedenen Desert Eagles abgegeben.«
» Was? «
»Das war die einhellige Reaktion.«
»Hat das auch zu der Hypothese geführt, dass es mehrere Schützen waren?«
»Ungefähr zehn Minuten lang. Arlo Blatt hatte eine von seinen besonders bescheuerten Ideen: dass die Anschläge eine Art Initiationsritus für eine Gang sind und dass jedes Bandenmitglied eine eigene Desert Eagle hat. Natürlich blieb dabei das kleine Problem des Manifests, das sich liest wie von einem Professor, während ein durchschnittliches Gangmitglied noch nicht mal das Wort Gang buchstabieren kann. Andere Leute hatten weniger blöde Einfälle, aber letztlich setzte sich die Ein-Täter-Theorie durch. Vor allem, nachdem sie den Segen von den Genies der Verhaltensanalyse beim FBI bekommen hatte. Die Tatorte waren praktisch identisch. Die Rekonstruktion von Anfahrt, Ausführung und Flucht ergab jeweils das gleiche Bild. Und mit ein bisschen psychologischem Nachjustieren des Modells war es für die Profiler letztlich genauso sinnvoll, dass der Typ eben sechs Desert Eagles benutzt hat statt nur einer.«
Gurney reagierte mit einem gequälten Gesichtsausdruck. Im Laufe der Jahre hatte er sehr unterschiedliche Erfahrungen mit Profilern gemacht. Seiner Meinung nach waren ihre Leistungen einzig und allein auf den gesunden Menschenverstand zurückzuführen und ihre Misserfolge der Beweis für die Hohlheit dieses Berufsstands. Das Problem an Profilern, vor allem wenn sie eine gewisse FBI -Arroganz quasi im Blut hatten, bestand darin, dass sie ihre Spekulationen mit Wissenschaft verwechselten.
»Mit anderen Worten«, resümierte Gurney, »sechs lächerliche Waffen sind auch nicht lächerlicher als eine lächerliche Waffe. Lächerlich ist eben lächerlich.«
Hardwick grinste. »Es gibt noch eine letzte Merkwürdigkeit. Alle Opferautos waren schwarz.«
»Eine beliebte Mercedes-Farbe, oder?«
»Ungefähr dreißig Prozent der fraglichen Modelle wurden in einfachem Schwarz hergestellt, dazu weitere drei Prozent in der Variante Metallicschwarz. Insgesamt also ein Drittel – dreiunddreißig Prozent. Statistisch gesehen hätten nur zwei der angegriffenen Fahrzeuge schwarz sein dürfen – außer die Farbe Schwarz gehört zu den Auswahlkriterien des Killers.«
»Wieso sollte die Farbe ein Kriterium sein?«
Achselzuckend kippte Hardwick den Becher und leerte den letzten Rest Kaffee. »Auch das eine gute Frage.«
Eine Minute lang saßen sie schweigend da. Gurney versuchte, die »Merkwürdigkeiten« auf sinnvolle Weise zu kombinieren, gab aber rasch auf, weil ihm klar wurde, dass er viel mehr erfahren musste, um diese zufälligen Details zu einem Muster zusammenfügen zu können.
»Erzähl mir, was du über Max Clinter weißt.«
»Maxie ist ein besonderer Typ. Schwer einzuordnen.«
»Inwiefern?«
»Er hat eine Vergangenheit.« Hardwick machte ein nachdenkliches Gesicht, dann stieß er ein raues, gutturales Lachen aus. »Das wäre was, wenn ihr zwei euch begegnen würdet. Sherlock das logische Genie trifft Ahab den Waljäger.«
»Und der betreffende Wal wäre …?«
»Der Wal wäre der Gute Hirte. Maxie hatte schon immer eine Tendenz, die Zähne irgendwo reinzuschlagen und nicht mehr loszulassen, doch nach dem kleinen Missgeschick, das seine Karriere beendete, wurde er zum Bilderbuchbeispiel für wahnhafte Besessenheit. Den Guten Hirten zu fangen war nicht der Haupt zweck seines Lebens, sondern der einzige Zweck. Da sind viele Leute auf Abstand gegangen.« Hardwick bedachte Gurney mit einem Seitenblick, den er erneut mit einem knarzenden Lachen untermalte. »Wäre zu gern dabei, wenn du dich mit Ahab auf einen Plausch triffst.«
»Jack, hat dir schon mal jemand gesagt, dass dein Lachen klingt wie eine Klospülung?«
»Zumindest niemand, der mich um einen Gefallen gebeten hat.« Hardwick erhob sich von seinem Sessel und schwenkte seinen leeren Kaffeebecher. »Erstaunlich, wie schnell der menschliche Körper
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