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Gute Nacht Zuckerpüppchen

Gute Nacht Zuckerpüppchen

Titel: Gute Nacht Zuckerpüppchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heide Glade-Hassenmüller
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fort. »Der Kleine ist erkältet. Regele das mit den Turnschuhen mit Pappi. Es ist sein Geld, von dem wir leben.«

    Pappi saß im Wohnzimmer und las die Zeitung.
    »Ich brauche ein Paar neue Turnschuhe«, sagte Gaby. »Meine alten sind nicht mehr zu reparieren«, fügte sie vorsichtshalber noch hinzu.
    Pappi legte seine Zeitung auf den Tisch und sah sie freundlich an. »So, was sollen die denn kosten?«
    Gaby schluckte, unsicher zog sie die Schultern hoch. »Mit Profilsohle fünfzehn bis zwanzig Mark, glaube ich.«
    Pappi lüftete sein Gesäß und zog seine Brieftasche aus der Hosentasche. Umständlich nahm er einen Zwanziger aus dem Portemonnaie und legte ihn vor sich auf den Tisch. Er sah Gaby an. Seine wasserblauen Augen schwammen in plötzlicher Gier.
    »Dafür bist du aber ein bißchen lieb zu mir!«
    Gaby sah zu dem grünen Schein auf dem Tisch. Sie brauchte neue Turnschuhe. Beate und Helga hatten sie schon ausgelacht mit ihren kaputten Latschen, und Frau Lampe hatte es auch gesagt.
    »Na, komm schon her, setz dich auf meinen Schoß.«
    Gaby gehorchte und preßte die Augen fest zusammen. Es war so schmerzend hell im Zimmer. Sie wollte nichts sehen. Seine Finger taten ihr weh, und da war wieder das eklige Ding. Sie wußte jetzt, es war sein Glied. »Ich tue dir nichts, nicht richtig, keine Angst«, stöhnte er an ihrem Ohr.
    »Wasche dich«, sagte er etwas später.
    Während sie sich mit viel warmem Wasser ab wusch, wurde ihr übel. Sie erbrach sich, spülte ihren Mund aus und betrachtete das Mädchen im Spiegel. Schneewittchen, weiß wie Schnee war ihre Haut, und ihre Augen schwarze Kohlen. »Es gibt Frauen, die tun es für Geld«, hatte Anne ihr erzählt. »Das sind schlechte Frauen, das letzte sozusagen. Huren nennt man die.«
    Langsam, mit staksigen Beinen, die irgendwie nicht zu ihrem Körper gehörten, ging sie zurück ins Wohnzimmer. Jeder Schritt schmerzte.
    Pappi las wieder die Zeitung. Ohne sie zur Seite zu legen, sagte er: »Auf dem Tisch liegt dein Geld. Geh und kaufe dir die Schuhe. Ich will nicht, daß es dir an etwas fehlt.«

    Gaby war dreizehneinhalb, als sie das erste Mal menstruierte. Fräulein Moll schickte sie nach Hause, weil die Blutung in der Schule begann und Gaby sie hilflos fragte, was sie tun solle.
    »Sprich mit deiner Mutter, und lege dich dann am besten hin. Vielleicht geht es dir morgen schon wieder etwas besser.«

    Gaby hätte vor Scham in den Boden versinken können, als Mutti es Pappi erzählte.
    »Du bist jetzt ein großes Mädchen«, sagte Mutti. »Laß dich nicht mit Jungen ein, und mache dich nicht unglücklich.«
    »Nein«, sagte Gaby.
    Pappis Augen waren ein und all Freundlichkeit. »Unser Zuckerpüppchen wird endlich ein großes Mädchen.«

    Anne hatte ihr ein Buch gegeben, darin stand, wie man Kinder machte. Zeugen, hieß es in dem Buch. Das Glied des Mannes ging bei der Frau in die Scheide, und aus dem Samen des Mannes und der Eizelle der Frau wurden Kinder. Dafür mußte die Frau geschlechtsreif sein.
    »Geschlechtsreif ist man, wenn man seine Tage hat«, fügte Anne noch erklärend hinzu.

    Seitdem hatte Gaby keinen ruhigen Tag mehr. Die Angst vor Pappi und einem Kind von ihm, nahm ihr den Atem, ließ sie nachts bei jedem Geräusch hochschrecken. Sie zuckte zusammen, wenn sie seinen Schritt hörte, erstarrte zu Eis, wenn er sagte: »Na, Zuckerpüppchen, wie fühlt man sich als großes Mädchen? So eine richtige kleine Frau?« Dabei verschlangen sich seine Finger ineinander, und er ließ die Gelenke knacken. Gaby sah auf seine nikotingelben Finger, die ihr schon so oft weh getan hatten. Und sie wußte, daß er jetzt mehr wollte. Die Art, wie er sie ansah, im Vorbeigehen über ihre schmerzenden Brustwarzen strich, ihr zuflüsterte: »Keine Angst, ich kenne mich aus. Bei mir passiert nichts.«
    Eines Mittags nahm Fräulein Moll sie nach dem Unterricht zur Seite. »Warte einen Augenblick, ich will mit dir reden.« Nachdem die letzte Schülerin die Klassentür hinter sich zugezogen hatte, fragte sie: »Gaby, was ist mit dir? Du siehst blaß und elend aus, zuckst bei jeder Kleinigkeit zusammen. Kann ich dir helfen?«
    Gaby biß die Zähne aufeinander, daß der Kiefer schmerzte. Sie wagte nicht, ihre Lehrerin anzusehen.
    »Tut dir jemand weh, sind die Kinder nicht nett zu dir?«
    Gaby schüttelte den Kopf.
    »Gehst du gerne in die Schule?«
    »Ja«, sagte Gaby. »Wirklich.«
    Das war die Wahrheit. In der Schule bekam sie Anerkennung und Bestätigung, und es lag

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