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Gute Nacht Zuckerpüppchen

Gute Nacht Zuckerpüppchen

Titel: Gute Nacht Zuckerpüppchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heide Glade-Hassenmüller
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»Ist das dasselbe wie jemanden respektieren?«
    Martha sah sie an und gleichzeitig mit dem linken Auge an ihr vorbei. Gaby irritierte das, und sie sah zur Seite. »Natürlich heißt das respektieren. Deine Eltern sollst du achten und ehren. Das steht schon in der Bibel. Und auch seinen Mann soll man achten.« Schelmisch schielte sie Toni an, der zärtlich ihren Arm nahm.
    »Und wie ich dich achte«, flüsterte er ihr verliebt zu, dann ließ er Martha plötzlich los. »Aber mach es mir nicht zu schwer.«
    Er gab Gaby einen kleinen Knuff. »Komm, wir spielen fangen. Mal sehen, ob ihr mich packen könnt.«
    Gaby hatte bald heraus, daß Toni sich mutwillig von ihr und Martha einholen ließ, aber das machte nichts. Sie lachten und alberten, bis alle drei außer Atem waren.
    »Genug, ich kann nicht mehr«, seufzte Martha lachend und ließ sich erschöpft auf einen großen Stein fallen. »Ich sehe schon, du wirst deine Kinder später schön in Trab halten.«
    Sie strich die verschwitzten Haare aus dem Gesicht: »Dein Vater spielt doch bestimmt auch gerne mit dir, Gaby?«

6

    Pappi holte sie vom Bahnhof ab, ohne Mutti.
    »Mutti liegt im Krankenhaus«, erklärte er ihr. Zärtlich sah er Gaby an. »Ich habe dich sehr vermißt, Zuckerpüppchen.«
    Gaby fühlte eine Riesenhand, die ihren Bauch zusammendrückte.
    »Wo ist Achim?« wollte sie wissen.
    »Achim kommt morgen zurück.«
    »Ich möchte zu Mutti«, bat Gaby.
    »Natürlich, Engelchen. Heute abend darfst du mit zur Besuchsstunde, obwohl Kinder unter vierzehn Jahren eigentlich keinen Zutritt haben. Aber ich schmuggle dich einfach hinein. Du weißt doch, daß ich alles für dich tun würde?«

    Mutti strich Gaby über die Wange. »Gut schaust du aus, Mäuschen. Bestimmt hast du zugenommen. Und Farbe hast du auch.«
    »Geht es dir auch gut?« Gaby streichelte Muttis Hand.
    »Natürlich, Kleines. Mach dir keine Gedanken. Sei ein folgsames Mädchen, und hilf Pappi zu Hause.«

    Pappi hatte Gabys Lieblingsessen vorbereitet: Schinkenfleckerl, Nudeln mit Schinkenstückchen, die im Ofen mit Käse überbacken wurden.
    »Zur Feier des Tages darfst du auch ein Glas Wein trinken.«
    Der dunkelrote, süße Wein schmeckte herrlich, und Gaby fühlte sich leicht und schwebend wie eine Daunenfeder. Die Nudeln waren genausogut, als wenn Mutti sie zubereitet hätte. Es war sehr lieb von Pappi, daß er sich soviel Mühe machte.
    »Prost, Zuckerpüppchen!« Er stieß mit ihr an.
    »Prost, Pappi!«
    Pappis Gesicht war von einer grauen Wolke umgeben, einmal weit weg, dann wieder dicht bei ihr, es machte alles nichts aus.
    Später legte Pappi sich zu ihr, aber es tat ihr diesmal gar nicht weh.
    Sie fühlte etwas Fremdes, Hartes an ihrem Oberschenkel reiben. Das ängstigte sie, sie wollte wegrücken, doch Pappi stöhnte: »Laß, gleich ist es soweit.«
    Dann zuckte er wie im Krampf und drehte sich zur Seite. Mit einem Taschentuch wischte er ihren Oberschenkel ab. »Schlaf schön, mein Engelchen!«
    In dieser Nacht wurde Mark geboren, ihr Brüderchen.

    Eigentlich hätte Gaby dem lieben Gott dankbar sein müssen. Er hatte ihr Gebet erhört: Es war ein Junge.
    Sie war nicht dankbar.
    Warum war sie kein Junge? Warum mußte ausgerechnet sie Pappi glücklich machen?
    Das sagte er immer wieder. »Nur du kannst mich glücklich machen. Und wenn ich glücklich bin, sind wir alle glücklich. Auch Mutti. Und du willst doch, daß Mutti glücklich ist?«
    Im Moment war Mutti glücklich. Auch durch Mark, einen rosigen, rundlichen Wonneproppen.
    Erstaunt betrachtete Gaby das kleine Menschlein, das bei Mutti im Bauch gewesen war.
    »Nimm ihn ruhig auf den Arm«, sagte Mutti.
    »Die Fingerchen, guck doch bloß mal die Fingerchen!«
    Entzückt legte Gaby ihren Mittelfinger in die winzige Hand.
    Marks Finger schlossen sich um ihren Finger. Eine wohlige Wärme strömte von ihm zu ihr. Sie hatte jemand, den sie liebhaben konnte.

    Gaby ging nicht mehr zur Beichte. Der neue Kaplan hatte immer weiter und weiter gefragt: »Tust du Unkeusches in Worten, Gedanken oder Taten? In Taten? Allein oder mit anderen?«
    Gaby hatte zu dem Schatten im Beichtstuhl aufgesehen. Aus dem Schatten wuchs ein Ohr, das an dem hölzernen Wabengitter lehnte. Ein großes Ohr mit kleinen Härchen. Vor dem Ohr zog ein Schweißtropfen eine feine, glänzende Spur. Die Luft war stickig und staubig. Die schmale Holzbank drückte in Gabys Knie.
    Sie stand auf und drehte sich um.
    Zu dem Ohr gehörte eine Stimme: »Mein Kind, bekenne und

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