Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gute Nacht Zuckerpüppchen

Gute Nacht Zuckerpüppchen

Titel: Gute Nacht Zuckerpüppchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heide Glade-Hassenmüller
Vom Netzwerk:
bereue!«
    Gaby schlug den weinroten Samtvorhang zur Seite.
    Beim Verlassen der Kirche sah sie noch einmal zu der Marienstatue. Wie schön sie war. Rein und unschuldig. Als einziger Mensch ohne Erbsünde. Konnte ihr jemand helfen, der nicht wußte, was eine Sünde war?

    Niemand konnte ihr helfen. Es war gut, das zu wissen. Dann wartete man nicht. Sie war allein.

7

    »Ich bring dich um«, schrie Achim, »ich bring dich um, du Saukerl!«
    Achim stand vor Pappi und schüttelte ihn am Revers hin und her. »Sie war mein Mädchen, begreifst du das, >mein    Das linke Revers riß unter Achims Griff entzwei.
    »Du bist ja verrückt«, keuchte Pappi. »Laß mich los, du Irrer!«
    »Achim, bitte!« Mutti stand in der Türöffnung und drückte den weinenden Mark an sich.
    Achim drehte sich um, ließ Pappi los. Seine Arme sackten wie ausgestopft herab, Tränen strömten aus seinen Augen.
    »Mußt du denn immer zu ihm halten?« Er machte eine halbe Kopfbewegung zu Pappi, der sich in den Armsessel hatte fallen lassen und mit einem Taschentuch den Schweiß von seiner Stirn wischte.
    Achim machte einen Schritt auf Mutti zu.
    »Er lag im Bett, Mutti, mit ihr. Ich habe es gesehen.« Er schluchzte. »Mit meiner Christa.«
    Mutti schüttelte den Kopf. »Das ist nicht wahr. Sie hat hier auf dich gewartet. Ihr war nicht gut. Eben hingelegt hatte sie sich, sagte Pappi.«
    Unsicher sah Mutti zu ihrem Mann.
    Achim drückte eine Hand vor seine Augen, ließ sie da, als wolle er nichts mehr sehen.
    Ein paar Sekunden war es ganz still.
    Auch Mark hatte aufgehört zu weinen und sabbelte zufrieden an Muttis Hals.
    »Ja, Mutti«, sagte Achim. »Ja, es ist ja gut.«

    Achim war fort. Er hatte als zweiter Steward auf einem Handelsschiff angemustert, und Mutti hatte ihre Einwilligung gegeben. Mutti war sein Vormund.
    Gaby fühlte sich sterbenselend. Ihr Bruder hatte sie allein gelassen. Wäre sie doch ein Junge, dann hätte sie auch alles hingeworfen und sich auf einem Schiff als blinder Passagier versteckt. Ganz weit weg von harten Händen und erschreckenden Körperteilen, wäre sie neu erwacht.
    Sie hatte jetzt oft Bauchschmerzen und fragte sich schuldbewußt, ob es >davon< kam.
    »Bekommst du vielleicht deine Tage?« fragte Anne.
    »Was ist das, deine Tage?«
    »Dann blutest du da unten eine Woche. Einmal im Monat. Das heißt dann, daß du eine Frau wirst. Wenn man seine Tage hat, kann man auch Kinder bekommen. Du weißt schon, wenn man mit Jungen und so...«
    Weiter gingen Annes Erklärungen nicht, und Gaby traute sich nicht, sie zu fragen. Was mit Jungens tun und so? Der Gedanke ließ sie nicht mehr los, fraß sich tiefer und tiefer.
    Nach vielen schlaflosen Nächten fragte sie zögernd Mutti: »Was sind das, >die Tage    Mutti wickelte Mark und sah auf: »Wieso, hast du sie schon?«
    »Nein, aber Anne sagt, so hat es bei ihr auch angefangen. Mit Bauchschmerzen.«
    »Ja, so.« Mutti überlegte, strich Mark über sein rundes Bäuchlein. »Paß mal kurz auf ihn auf«, sagte sie, ging zu ihrer Handtasche und gab Gaby eine Mark. »Geh zur Drogerie und kaufe dir eine Packung Camelia. Das sind Binden, die man braucht, damit die Wäsche nicht beschmutzt wird. Und sie sollen dir die Fibel für junge Mädchen mitgeben. Da steht alles drin, was du wissen mußt.«
    Es dauerte eine Weile, bis Gaby sich traute, in Heymanns Drogerie zu gehen. Glücklicherweise war nur Frau Heymann selbst im Laden. Gaby fühlte ihr Gesicht glühen, als sie Muttis Auftrag wiederholte.
    »Natürlich, Gaby. Ist es jetzt bei dir auch bald so weit? Lies dir man alles durch, dann weißt du genug.«
    Viel war es nicht. Eine Zeichnung zeigte, wie man den Bindengürtel gebrauchte und die Binden vorne und hinten an dem Haken befestigte. Die Blutung nannte man auch Menstruation. Die Menstruation wurde durch den Eisprung ausgelöst. Ende.
    Beim Turnen gab es einige Mädchen, die ihre Tage schon hatten und deswegen nicht mitzuturnen brauchen. Gaby beneidete sie um ihr Wissen und hatte gleichzeitig Angst, daß da in ihrem Körper etwas geschah, was sie nicht begriff.
    »Du mußt neue Turnschuhe haben«, sagte die Turnlehrerin, Frau Lampe, zu ihr, als sie beim Bocksprung über ihre lose hängende Schuhsohle ausglitt.
    »Ja«, sagte Gaby.
    »Bitte Pappi um extra Geld«, sagte Mutti. »Ich komme kaum aus mit meinem Wirtschaftsgeld. Mark hat so viel nötig.«
    Ich auch, dachte Gaby.
    »Ich muß mit Mark zu Dr. Rehbein«, fuhr Mutti

Weitere Kostenlose Bücher