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Gute Nacht Zuckerpüppchen

Gute Nacht Zuckerpüppchen

Titel: Gute Nacht Zuckerpüppchen
Autoren: Heide Glade-Hassenmüller
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sagtest doch, es wäre nicht so schlimm. Das sagtest du doch?«
    Gaby schloß ihr gesundes Auge. »Ja, es ist nicht so schlimm.«
    »Ich bringe dir eine kühle Kompresse«, schlug Pappi vor. »Das wird dir guttun.«
    Mutti seufzte tief auf. »Sorgen machst du uns, Gaby, Sorgen!«
    »Nun laß man, Hetty«, Pappis Stimme klang unwillig. »Das kann doch vorkommen. Sie ist schließlich nicht mit Absicht gefallen. Du hast doch gehört, in zwei Wochen ist sie wieder auf dem Damm. Und in Zukunft wird sie vorsichtiger sein, nicht wahr, Zuckerpüppchen?«

    Gaby lag in ihrem Zimmer wie auf einer Insel. Die Geräusche der anderen rauschten an ihrer Tür vorbei, erreichten sie nicht.
    Mark hatte zu weinen begonnen, als er sie so im Bett liegen sah. »Gaby hat schlimmes Aua?« Fragend sah er Pappi an.
    »Ja, Gaby hat schlimmes Aua. Aber das geht vorbei.«
    Mutti kam in ihr Zimmer, staubte hier etwas ab, rückte dort etwas zur Seite, glättete die Falten der zugezogenen Gardinen. Dabei warf sie hin und wieder einen unsicheren Blick auf Gaby, die bewegungslos im Bett lag, mit ihrem einen Auge die Decke anstarrte.
    »Geht es dir gut, Gaby? Möchtest du etwas?«
    »Nein, danke, es geht mir gut.«
    »Ein Glas Saft vielleicht?«
    Erleichtert verließ Mutti das Zimmer und schickte Pappi mit einem Glas Saft hinein. Pappi stellte den Saft auf ihren Nachttisch.
    »Du denkst daran, was ich dir gesagt habe?« Er sah auf sie herab.
    »Ja«, sagte Gaby, »natürlich, ich bin gefallen.«
    »Und wie steht es mit unserer Abmachung?«
    Gaby schluckte. Dieses Scheusal, dieses schwitzende Ekelpaket, konnte er denn nie an etwas anderes denken?
    »Ich hatte dein Wort«, wiederholte Pappi eindringlich.
    »Ja«, sagte Gaby. »Du hast mein Wort. Ich halte mich daran. Wenn ich wieder gesund bin.«
    »In zehn Tagen«, sagte Pappi.
    »Geh«, flüsterte Gaby. »Geh raus, oder ich schreie.«

    Als Dr. Rehbein die Fäden zog, bat sie um Schlaftabletten. »Ich kann nicht schlafen, meine Rippen tun weh.«
    Er schrieb ihr ein Attest.
    »Dein Gesicht sieht schon wieder ganz manierlich aus. Keine Angst mehr, daß du etwas zurückbehältst?«
    »Nein«, Gaby schüttelte den Kopf. »Morgen gehe ich wieder zur Schule.«

    Sie durfte auch wieder zum Tischtennis. Kein Hausarrest. Sie hatte sich an die Abmachung gehalten...
    Eine halbe Stunde vorher nahm sie eine Schlaftablette mit einem Glas Wein. Nicht um müde zu werden, aber es lullte auf angenehme Art und Weise ihre Empfindungen ein und ließ sie alles weniger deutlich wahrnehmen.
    »Es tut mir leid«, sagte Pappi. »Ich war eifersüchtig. Da ist doch jemand? Du hast einen Freund?«
    »Niemand«, beteuerte Gaby, »bestimmt nicht. Ich wollte nachdenken. Das ist alles nicht einfach für mich. Wegen Mutti.«
    Es war das erste Mal, daß sie Mutti während ihres Beisammenseins erwähnte.
    »Mutti«, sagte Pappi nachdenklich. »Sie würde es dir nie verzeihen. Wahrscheinlich kämst du in ein Heim.«
    Warum will er mir Angst einjagen? Im Heim hätte ich Ruhe. Das Heim schreckt mich nicht. Vielleicht würde Mutti mich wirklich in ein Heim stecken, schlimmer wäre ihr Haß, endgültig, jetzt nur manchmal spürbar. Die Wahrheit brächte den Tod, setzte das Messer an ihren Puls, legte die Schlinge um ihren Hals.
    Ich muß es ertragen, dachte Gaby und spürte dankbar die Wirkung des Schlafmittels. Ihre Lider wurden schwerer, ihre Glieder schlaffer. Es gab keine springenden Schäfchen mehr, keinen fächelnden Wind von der See. Sie ließ es geschehen. Jeder Seufzer wurde erstickt durch Angst, jeder Gedanke erschlagen durch drohende Gewalt.
    Hinterher schüttelte Pappi sie an der Schulter. »Was ist mit dir? Schläfst du etwa?«
    »Nein, nein, natürlich nicht.« Schwerfällig stand sie auf. »Ich gehe gleich ins Bett.«
    Sie lag die ganze Nacht wach. Wenn er einen Unfall haben könnte. Ein Lastwagen, der ihn überrollte, so platt wie eine Wanze. Oder ein Fahrstuhl, mit dem er abstürzen oder gleich zur Hölle fahren konnte. Gab es eine Hölle? Würde er dort für alles bestraft, was er getan hatte? Und sie? Sie war auch schlecht. Er hatte sie zu sich in den Schmutz gezogen.
    Gift könnte sie ihm geben, dann müßte er in langsamen Krämpfen krepieren. Sie würde über ihm stehen und auf ihn herabsehen.
    Und Horst? Ich liebe deine Unschuld. Also liebte er nichts. Sie war nie unschuldig gewesen. Gab es das? Man konnte nichts verlieren, das man nie besessen hatte.
    Horst, lieber Horst, liebe mich, ich bin alles, was du willst,
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