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Gute Nacht Zuckerpüppchen

Gute Nacht Zuckerpüppchen

Titel: Gute Nacht Zuckerpüppchen
Autoren: Heide Glade-Hassenmüller
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unschuldig, rein, etwas Besonderes, nur liebe mich.

    »Laß mal sehen.« Zärtlich hob Horst ihr Gesicht der Sonne entgegen. »Nein, man sieht nichts mehr von deinem Sturz. War es wirklich so schlimm?«
    »Ach, es ging«, sagte Gaby und schmiegte sich an ihn. Sie spürte noch immer ihre Rippen, und ihr Bauch war überall empfindlich. Aber das sah man nicht. Es zählte nur, was man sah.
    »Ich habe mir Sorgen gemacht, wirklich.«
    Sie kuschelte sich beim Gehen in seinen Arm. »Lieb von dir.«
    »Warum darf ich dich nicht besuchen? Ich könnte deine Eltern überzeugen, daß ich nichts Böses im Sinn habe.«
    »Nein«, sagte Gaby, »bitte nicht. Sie wollen nicht, daß ich mich mit jemandem treffe. Ich dürfte nicht mehr weg.«
    »Ich begreife das nicht, Gaby. Du wirst sechzehn. Da darf man doch einmal mit einem Jungen ausgehen. Und wenn sie mich kennen würden...«
    »Bitte«, unterbrach sie ihn, »das hat doch nichts mit dir zu tun. Sie wollen es einfach nicht.«
    Horst schwieg verletzt.
    »Bist du mir jetzt böse? Ich kann doch nichts dafür.« Und nur, um ihn versöhnlich zu stimmen, fügte sie hinzu: »Vielleicht, wenn ich sie ganz langsam darauf vorbereite, in einigen Wochen...«
    Mit der Blindheit des Verliebten sah Horst gleich den Ausweg. »Natürlich, du mußt sie erst an die Idee gewöhnen. Sie sehen in dir immer noch die kleine Gaby. Du mußt ihnen zeigen, daß du erwachsen wirst.«
    »Ich will es versuchen«, sagte Gaby.
    Er küßte sie. »Ich habe übrigens eine Überraschung für dich. Meine Mutter möchte dich kennenlernen.«

    Wie damals, bei ihrem Ausreißversuch, glaubte Gaby, langsam wieder verrückt zu werden. Sie fühlte sich verfolgt. Wenn sie aus der Schule kam, meinte sie, im Toreingang gegenüber Pappis Schatten im Dunkeln verschwinden zu sehen. Der Mann an der Laterne unter Annes Fenster, den Hut tief ins Gesicht gedrückt, trug seinen Mantel. Am Fenster der Turnhalle tauchte sein Gesicht auf, eine spähende Grimasse.
    Sie schrie auf und wies zum Fenster. Zwei Jungen liefen auf den Hof, sahen nur noch einen Schemen, der gleich darauf von der Dunkelheit verschluckt wurde.
    »Irgendein Trunkenbold«, tröstete Horst sie. »Seit wann bist du so schreckhaft?«
    »Er sah scheußlich aus.«
    »Ich bringe dich nach Hause. Damit du wieder ganz ruhig wirst.«
    Auf dem Nachhauseweg glaubte Gaby ein paarmal Schritte hinter sich zu hören, aber wenn sie sich umdrehte, war da nichts. Sogar Horst lachte unsicher. »Du steckst mich an, jetzt höre ich auch schon Gespenster hinter uns herschleichen.«
    Lauschend standen sie beide auf der Straße — Stille! Schnell wand Gaby sich vor der Tür aus seinem Arm.
    »Bitte nicht, wenn uns jemand sieht!«
    »Denk an Sonntag. Um vier Uhr erwarten wir dich!«

    Gaby fühlte, daß etwas in der Luft lag. Es war nur dieses Ahnen, wieder das Riechen der Gefahr, totes Fleisch. Unfähig wegzulaufen, lähmte es sie wie das Kaninchen vor der Schlange. Bereit, den tödlichen Biß zu empfangen.

    Mutti und Pappi waren freundlich, spielten neuerdings glückliches Ehepaar.
    »Du willst wirklich nicht mit uns und Mark nach Hagenbeck?«
    »Ich muß noch Schularbeiten machen, und dann möchte ich gerne ins Kino. In die Nachmittagsvorstellung.«
    »Was gibt es denn?« fragte Pappi.
    »Mit siebzehn beginnt das Leben.«
    »Spielt da nicht die Marina Vlady eine Rolle?« fragte Mutti.
    »Ja«, sagte Gaby. Sie hatte den Film schon letzte Woche gesehen. Ein schöner Kitsch.
    »So, so, mit siebzehn beginnt das Leben. Dann hast du ja noch ein Jahr Zeit.« Pappi sah sie seltsam an.
    Was meinte er? Eine Warnung? Was wußte er?
    »Darf ich gehen?«
    »Natürlich«, großzügig wollte Pappi sein Portemonnaie zücken. »Geh du ins Kino. Wir gehen mit Mark in den Zoo.«
    »Geld habe ich«, sagte Gaby und ging in ihr Zimmer.

    Mit der S-Bahn fuhr sie bis zum Bahnhof Dammtor. Zur Alsterchaussee konnte sie dann zu Fuß gehen. Wie sie den Blick auf die Alster liebte! Blau und glatt lag das Wasser da. Einige Segelboote setzten weiße Tupfer vor die ausladend grünen Bäume und Sträucher. Zu wenig Wind, stellte Gaby beim Anblick der schlaffen Segel fest.

    Die Nummer 66 war in Messing gehämmert und neben der Tür befestigt. Sie drückte auf die Klingel. Nichts rührte sich. Schon streckte sie die Hand erneut zur Klingel, als die Tür wie von Geisterhand aufging.
    Sie hatte keine Schritte gehört.
    Frau Baum stand kerzengerade in der großzügigen Eingangshalle, als Gaby unsicher eintrat.
    »Machst du
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