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Gute Nacht Zuckerpüppchen

Gute Nacht Zuckerpüppchen

Titel: Gute Nacht Zuckerpüppchen
Autoren: Heide Glade-Hassenmüller
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es noch schlimmer geworden zu sein.
    Dr. Rehbein nahm ihre Hand zwischen seine und streichelte sie behutsam. »Darüber brauchst du dir wirklich keine Sorgen zu machen. Dein Nasenbein ist nicht gebrochen, das Augenlid und die Lippe sind nur aufgeplatzt. Die kleine Narbe am Ohr wird kaum sichtbar sein. Nein, Mädchen, in zwei Wochen bist du wieder vorzeigbar.«
    »Zwei Wochen«, wiederholte Gaby.
    »Na ja, in einer Woche kannst du vielleicht wieder in die Schule. Zumindest, wenn dir nicht übel ist. Sonst rechne ich noch mit einer Gehirnerschütterung. Warst du nach dem Sturz bewußtlos?«
    Gaby sah sich wieder in der Flurecke liegen. Sein Schweiß brannte Löcher in ihre Haut. Sie schauderte zusammen. Nicht daran denken.
    »Einen Moment vielleicht«, gab sie zu.
    »Ich werde deine Lehrerin anrufen, daß du einen Unfall hattest.«
    Gaby kam etwas in die Höhe. »Sagen Sie ihr bitte auch, ich will keinen Besuch zu Hause.« Sie sank auf die Liege zurück. »So, wie ich aussehe.«
    »Und dann werde ich deinen Vater anrufen, damit er dich mit dem Auto abholt. Du kannst unmöglich zu Fuß nach Hause laufen.«
    Entsetzt fuhr Gaby hoch und schrie leise auf. Ihre Seite! Ein glühendes Messer schien ihre Brust zu durchbohren. »Tun Sie das nicht, Doktor! Er wird sehr böse auf mich sein. Ich bin zu spät nach Hause gekommen. Im Treppenhaus war es dunkel, sonst wäre das doch nicht passiert. Ich habe gesagt, es ist nicht so schlimm! Bitte, ich nehme mir ein Taxi hier an der Ecke. Geld habe ich auch!« Erschöpft sackte sie zurück.
    Wortlos hatte Dr. Rehbein ihren Wortschwall angehört. Er überlegte. »Gut«, sagte er dann. »Du bist schließlich kein kleines Kind mehr. Und du hast die Schmerzen. Ich erwarte dich in einer Woche zum Fädenziehen. Übrigens, wenn du dein Gesicht kühlst, gehen die Schwellungen schneller zurück.«
    »Danke«, sagte Gaby.

    Horst, er mußte eine Nachricht haben. In der Uni konnte sie ihn nicht erreichen. Mit zitternden Fingern riß Gaby im Treppenhaus des Arztes eine Seite aus ihrem Notizbuch. Sie setzte sich auf eine Stufe. >Lieber Horst< — sie malte die Buchstaben ganz langsam und sorgfältig, damit er keine Schlüsse aus ihrer zittrigen Schrift ziehen konnte. >Ich bin gestern gefallen. Der Arzt sagt, ich muß im Bett bleiben. Ich darf keinen Besuch bekommen. Wenn es mir besser geht, komme ich wieder in den Club. Rufe mich bitte nicht an.<
    Sie zögerte bei der Unterschrift. Sollte sie schreiben: »in Liebe« oder »es küßt dich« oder »auf ewig«? Und wenn seine Mutter den Brief lesen würde? Oder ein Freund? Vielleicht machten sie darüber einen Scherz. Horst brächte es in Verlegenheit. Sie schrieb dann nur: >Deine Gaby<.
    »Einen Briefumschlag«, bat sie in dem Schreibwarengeschäft gegenüber. Die Verkäuferin schrie leise auf.
    »Mein Gott, wie siehst du denn aus? Hast du dich geprügelt?« Gabys Blut klopfte. Sie bemühte sich, flach zu atmen, damit die Stiche in der Seite weniger schmerzhaft waren.
    »Was kostet der Umschlag?« fragte sie und sah nicht auf.
    »Fünf Pfennig«, sagte die Verkäuferin und fügte gekränkt hinzu: »Man wird ja wohl noch fragen dürfen.«
    Gaby schob ihr das Geldstück hin und ging mit kleinen Schritten hinaus. Sie mußte den Brief einwerfen. Am Briefkasten schrieb sie in Druckbuchstaben seine Anschrift: >Horst Baum, Hamburg 33, Alsterchaussee 66<. Leicht zu merken, dachte sie dankbar und klebte die Briefmarke darauf. Geschafft. Erleichtert schloß sie einen Moment die Augen, als der Brief in den gelben Kasten fiel.
    Horst durfte sie auf keinen Fall zu Hause besuchen oder sie anrufen. Er würde etwas merken. Und Pappi wußte dann, wer er war. Das mußte sie verhindern. Es wäre das Ende.

12

    Als sie an der Tür klingelte, benommen vor Schmerzen und Schwäche, öffnete ihr Mutti. Gaby taumelte in ihre Arme. Wie die Verkäuferin schrie Mutti auf.
    »Ich bin gefallen, gefallen, nur gefallen«, stammelte Gaby mit letzter Kraft und sackte langsam in sich zusammen. Mutti und Pappi standen mit besorgten Gesichtern an ihrem Bett, als sich ihr Bewußtsein schmerzend wieder einstellte.
    »Ich habe Dr. Rehbein angerufen. Er sagt, du mußt eine Woche im Bett bleiben. Wie konnte das nur geschehen?«
    Mutti strich ihr die schweißnassen Haare aus der Stim.
    »Ich bin gefallen«, murmelte Gaby, »gefallen.«
    »Gestern abend dachte ich, es wäre nicht so schlimm.« Pappi räusperte sich. »Allerdings, richtig gesehen habe ich dich nicht. Ich war eingenickt. Du
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