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Gute Nacht Zuckerpüppchen

Gute Nacht Zuckerpüppchen

Titel: Gute Nacht Zuckerpüppchen
Autoren: Heide Glade-Hassenmüller
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bitte die Tür hinter dir zu? Ich kann sie zwar mit dem elektrischen Summer öffnen, aber schließen muß man sie leider selbst.«
    »Ja, natürlich!« Verwirrt gab Gaby der Tür einen Schubs, so daß sie ins Schloß fiel. Etwas zu laut. Frau Baum zuckte zusammen, sagte aber nichts.
    Sie standen sich gegenüber und sahen sich an. Wie schön sie ist. Klar und blau wie das Wasser vor ihrer Tür. Und kühl. Das dunkelblonde Haar war kinnlang und tadellos frisiert. Sie reichte Gaby eine schmale Hand.
    »Ich hatte gedacht, du wärst jünger.«
    »Ich werde sechzehn.«
    »Oh, ja.«
    Horst kam die Treppe heruntergesprungen, brachte frische Luft und Lachen mit. »Ihr habt euch schon bekannt gemacht?« Er küßte Gaby zärtlich auf die Wange.
    »Ja«, sagte Frau Baum und drehte sich um. »Kommt bitte, der Kaffeetisch ist gedeckt.«

13

    Abschlußprüfung in der Schule. Eine Woche lang schriftlich, nur wer dann zweifelhaft stand, mußte mündlich geprüft werden. Gaby versuchte, sich voll und ganz auf die gestellten Aufgaben zu konzentrieren, Angst und Verfolgung vor der Tür stehen zu lassen. Mathe bereitete ihr nach wie vor Schwierigkeiten. Horst hatte noch die wichtigsten Merksätze mit ihr durchgesprochen. »Du schaffst es schon«, munterte er sie auf.
    Daran zweifelte sie nicht. Sie wollte es nicht nur schaffen, sie wollte gute Zensuren. Fräulein Moll sollte sehen, daß sie sich nicht in ihr getäuscht hatte.
    Beim Aufsatzthema machte Gaby Zugeständnisse an ihre Lehrerin.
    »Dem Leben einen Sinn geben!«
    Liebe, dachte Gaby, Liebe, wahre, echte Liebe zueinander ist der Sinn des Lebens. Liebe, die beschützt, nichts fordert, nicht verletzt. Mit Liebe gäbe es keinen Krieg, keine Unterdrückung, keine Angst. Aber sie wußte, daß diese Auslegung vom Sinn des Lebens Fräulein Moll nicht genügen würde. So schrieb sie schöne Sätze über Leistung und Mitarbeit an der menschlichen Gesellschaft, Pflichten gegenüber der Allgemeinheit. Es wurde ein sehr guter Aufsatz.
    »In dir habe ich alle meine Erwartungen erfüllt gesehen«, sagte Fräulein Moll, als sie ihr das Zeugnis der Mittleren Reife überreichte. »Du hast dich immer bis zum letzten für die Schule eingesetzt, fleißig und zielstrebig gearbeitet. Schade, daß du nicht weiter studieren willst.«
    »Danke!« Gaby nahm das Zeugnis entgegen.
    »Die Schulzeit ist vorbei«, hatte Pappi bestimmt. »Jetzt gehst du in die Lehre. Am besten ins Büro.«
    Gaby protestierte nicht. Um selbständig zu werden, mußte sie Geld verdienen. Wenn sie studierte, würde das noch länger dauern. Ihre Lehre konnte sie verkürzen, wenn sie in der Berufsschule besonders gute Resultate erreichte.
    »Du könntest eine Abschlußfeier geben«, schlug Mutti ihr vor. »Gleichzeitig mit deinem sechzehnten Geburtstag.«
    »Nein«, sagte Gaby, »kein Grund zum Feiern.«
    »Was ist denn das wieder für eine Bemerkung?« Mutti sah sie verärgert an. »Du bringst ein sehr gutes Zeugnis mit nach Hause, man will dir etwas Gutes tun, außerdem wirst du sechzehn.«
    »Für die Zensuren habe ich gearbeitet. Ich habe sie verdient und sechzehn...«
    Sie beendete ihren Satz nicht. Noch fünf Jahre bis zur Volljährigkeit, ihr graute. 1

    Wie kann ich die überleben? Wenn ich die Lehre verkürzt in zwei Jahren schaffe, könnte ich mit achtzehn Jahren Geld verdienen. Genug, um alleine zu wohnen. Dann feiere ich meinen Geburts-Tag, erst dann.
    »Da will man dir eine Freude machen und bekommt nur patzige Antworten!« Muttis Nasenflügel bebten.
    »Ja, ich bin ein böses Mädchen«, bestätigte Gaby.

    Als sie zum Tischtennistraining kam, gab Anne ihr einen Brief. Er war von Horst.
    »Komme bitte zum Anlegesteg. Ich warte dort auf dich. Horst.«
    Gaby las die spärliche Mitteilung zweimal. Was war geschehen? Sie stopfte den Zettel in ihre Anoraktasche. »Ich muß noch einmal fort«, erklärte sie Anne, drehte sich um und rannte aus der Halle.

    Schon von weitem sah sie ihn stehen. Er hielt sich am Brückengeländer fest und sah aufs Wasser.
    »Hallo?« Ihre Stimme flatterte zu ihm, unsicher, ängstlich. Was ist, warum stehst du hier, fremd, eingeschlossen in Abwehr und Trauer? Nichts von ihm strebte ihr entgegen, er sah nur kurz auf.
    »Hallo!«
    Sie stellte sich neben ihn, hoffte unsinnigerweise, daß es ein Scherz war, er sie nur erschrecken wollte.
    Gleich würde er laut auflachen, sie in die Arme nehmen.

    Er rührte sich nicht.
    Als er endlich zu reden begann, versank ihre Hoffnung im Nichts.
    »Meine Mutter
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