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Gute Nacht Zuckerpüppchen

Gute Nacht Zuckerpüppchen

Titel: Gute Nacht Zuckerpüppchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heide Glade-Hassenmüller
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schickt mich. Sie meint, ich müßte es dir selber sagen. Dein Vater war bei ihr. Er hat sie vor dir gewarnt. Das heißt, eigentlich natürlich mich. Mich hat er gewarnt vor dem Umgang mit dir.«
    »Gewarnt?« wiederholte Gaby. Bin ich das, die fragt, wunderte sie sich gleichzeitig. Ich wußte doch, daß etwas geschehen würde. Jetzt geschah es. Das Kaninchen, der tödliche Biß, Leichengeruch.
    »Ja, gewarnt vor dir. Du wärest nichts für einen anständigen jungen Mann.«
    »Oh.« Sie versuchte zu begreifen.
    Hart packte Horst sie am Arm. »Wolltest du deswegen nicht, daß ich mit zu euch nach Hause kam? Hattest du Angst, ich könnte etwas über dich erfahren?«
    »Laß mich los«, sagte Gaby.
    »Entschuldige«, abrupt ließ er ihren Arm fallen, als könne er sich an ihm verbrennen und trat einen Schritt zur Seite.
    »Seit Jahren treibst du dich herum, sagt dein Vater. Du bist sogar schon mit irgendeinem Kerl von zu Hause ausgerissen. Die Polizei mußte dich zurückbringen.«
    Gaby lachte auf.
    »Warum lachst du?« Es sah aus, als wolle er sie schütteln, doch dann schlossen sich seine Hände nur noch fester um das Geländer. »Sage mir, daß das alles nicht wahr ist!«
    »Würdest du mir glauben?« Gaby legte den Kopf in den Nacken und sah zu den Sternen hoch. Verdammte Sterne!
    »Sage mir, daß du noch mit niemand geschlafen hast!«
    Gaby schwieg, dann sagte sie: »Ich bin unschuldig.«
    Bitter lachte Horst auf. »Du stehst nicht vor Gericht. Kann ich mich von deiner Unschuld überzeugen?«
    Sie schwieg wieder. Es hatte keinen Sinn. Er würde es nicht begreifen.
    »Keine Angst«, höhnte er jetzt verzweifelt. »Ich will nicht. Nicht mit dir. Ich habe in dir meine Zukunft gesehen. Meine Mutter warnte mich. Du seist kein Kind mehr, behauptete sie. Deine Augen entlarven dich. Und ich dachte, du wüßtest noch nichts. Bergseen! Ich Narr!«
    »Noch etwas?« fragte Gaby leise. Sie konnte nicht mehr. Er riß sie in Stücke, sie mußte weg.
    »Ich liebte dich«, sagte Horst.
    »Du liebtest meine Unschuld«, sagte Gaby. »Ich hätte sie dir gegeben.«
    Als sie ging, blieb er unbeweglich stehen. Es hätte nichts verändert, wenn sie ihm die Wahrheit gesagt hätte. Sie war besudelt. Wenn er alles gewußt hätte, vielleicht noch mehr als jetzt. Er hatte seine Vorstellung von ihr geliebt. Etwas, das sie nie gewesen war.
    Es ist aus. Sie wunderte sich, daß sie keinen Schmerz empfand. Sie empfand nichts mehr. Warum sollte sie auch, sie war tot. Nur ihr Körper ging noch durch die dunklen Straßen, ein Schatten aus dem Jenseits.
    Pappis Plan hatte vorzüglich geklappt. Er hatte sie in Sicherheit gewiegt, sie beobachtet, belauert, bis er wußte, wer >der Andere< war. Dann hatte er zugeschlagen. Tödlich. Nun war sie frei. Jetzt wollte sie nicht mehr. Keine zwei Jahre mehr durchhalten und auf eine Freiheit warten, die immer von den Schatten der Vergangenheit eingeholt werden würde.
    Sie ging zum Bahnhof.
    Vage wunderte sie sich über die vielen hastenden Menschen, die sie anstießen, berührten und doch ein Leben weit von ihr entfernt waren.
    Sie löste eine Bahnsteigkarte.
    Als die Lichter des Zuges im Tunnel sichtbar wurden, sprang sie.

14

    Seit drei Tagen lag sie mit einem schweren Schock im Krankenhaus. Der Zug war an ihr auf dem Nachbargleis vorbeigerast.
    Sie wußte nichts mehr davon. »Totaler Zusammenbruch, Nervenfieber«, konstatierte der Oberarzt, fühlte ihren Puls, richtete den schmalen Lichtstrahl einer Taschenlampe auf ihre starren Pupillen. Gaby hörte und sah es und war gleichzeitig blind und taub. Etwas in ihr weigerte sich, in die gefürchtete Realität zurückzukehren. Sie hatte die Grenze zum Niemandsland überschritten, es war der Augenblick zwischen Traum und Erwachen.
    Sie hörte komplizierte lateinische Bezeichnungen für das Schweben ihrer Seele. Sie sah von oben auf ihren Körper herab und wunderte sich, daß sie soviel Aufhebens wegen dieser Hülle aus Haut, Fleisch und Sehnen gemacht hatte. Wie bedeutungslos das war. Gerne hätte sie sich weiter entfernt, wäre nie wieder in das Gefängnis von pulsierendem Blut und zuckenden Muskeln zurückgekehrt.
    Doch dann kam er mit Mutti an ihr Bett. Mutti weinte, und Pappi tröstete sie. »Es wird schon wieder. Mach dir keine Sorgen. Du weißt doch, daß sie zäh ist.«
    Mutti schluchzte, und Pappi strich vorsichtig über Gabys schlaffe Hand. Unter seiner Berührung ballte sich ihre Hand zur Faust.
    »Sieh doch, sie reagiert!« Aufgeregt wies Mutti auf die

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