Guten Abend, Gute Nacht
Bank da.« Zu dem ersten Knaben sagte sie: »Sal, paß auf meinen Kram auf, okay?«
Er sagte: »Klar. Brüll einfach, wenn du uns brauchst.«
»Danke.«
Zerle ging auf die Bank zu, ich folgte ihr. Sie hatte einen energischen Schritt: Eine Frau, die es gewohnt war zu gehen, um im Verlauf eines arbeitsreichen Tages von einer Aufgabe zur nächsten zu gelangen. Obwohl die Lieblosigkeit der Schwerkraft alles absacken ließ, war sie in ihrem offenherzigen Aufzug doch noch gut in Form und sogar anmutig. Sie setzte sich, schlug die Beine übereinander und sagte: »Über wen wollen Sie was wissen?«
»Über einen Psychiater, der heute in der Gegend von Boston praktiziert. Ich helfe bei der Verteidigung eines College-Studenten. Dieser Student ist, oder besser gesagt, war Patient von ihm und ist des Mordes an einem Mädchen angeklagt, das ebenfalls seine Patientin war. Es gibt gewisse Anhaltspunkte, daß zwischen dem Mädchen und dem Arzt eine Beziehung außerhalb der Therapiegruppe bestanden hat.«
»Mein Sohn, wenn Sie endlich zum Punkt kämen, würden wir vielleicht schneller fertig. Sie meinen eine sexuelle Beziehung?«
»Ja.«
»Okay, wie heißt dieser Arzt?«
»Marek. Clifford Marek.«
Sie stand auf. Es schien ihr plötzlich kalt geworden zu sein. Genau wie Suley im Krankenhaus verschränkte sie die Arme, aber sie zitterte leicht und versuchte sich zu wärmen.
Ich wollte schon meine Jacke ausziehen, doch sie bemerkte es und schüttelte den Kopf. »Nein, nein. Mir ist nicht kalt. Es ist nur... Was Sie mir da geschildert haben, klingt nicht nach Marek. Nein, ich glaube nicht.«
»Was meinen Sie damit?«
»Ich meine, Sie sollten besser wieder gehen.«
»Hören Sie...«
»Wollen Sie, daß ich Sal und Tony rufe?«
»Nein, ich habe keine Lust, ein paar Runden mit denen durchstehen zu müssen. Aber Sie sind bislang meine beste Chance, diesen Fall endlich knacken zu können, und wenn das nötig ist, damit Sie mit mir sprechen, rufen Sie sie.«
Sie seufzte, machte dann ein Gesicht, als wollte sie ausspucken. »Hat... Wie heißt der Patient, der angeklagt wird?«
»Sein Name ist Daniels, William Daniels. Er war der Freund des toten Mädchens — also, ich meine, ihr Lover.«
»Daniels.«
»Ja.«
Sie ließ sich einen Augenblick Zeit, dann fällte sie eine Entscheidung und fragte, mit dem Gesicht zum Fluß: »Dieser Daniels, ist er schwarz?«
SIEBENUNDZWANZIG
»Suley ist Frauen-Imitator. Das heißt, nebenbei, um sich ein paar Dollar extra zu verdienen. Er macht eine tolle Diana Ross. Sie würden schwören, sie vor sich zu haben. Noch etwas Tee?«
Ich sagte: »Nein, danke«, und sie schaute auf ihre eigene Tasse, zog den Bademantel fester um sich, sagte aber nichts. Wir waren in ihre Wohnung gegangen, um ungestörter reden zu können, aber bislang hatte sie noch nicht damit angefangen. Daher war ich zur Abwechslung mal schlau und drängte sie nicht.
»Ja, der alte Suley — und er ist alt, lassen Sie sich durch sein faltenloses Gesicht und seine tuntige Art nichts vormachen. Suley, er marschiert stramm auf die fünfundvierzig zu — der alte Suley ist ein begabter Bursche, und smart dazu. Er hätte meinen Job bekommen, als ich pensioniert wurde, wenn er nicht so eine ausgemachte Tunte wäre, die eine Etage höher jeden nervös machte. Also holen sie statt dessen die Smith von einer kleinen Anwaltskanzlei, die sie geleitet hatte — als Bürovorsteherin; sie selbst ist keine Anwältin — , und der alte Suley bleibt, wo er ist.«
Zerle spielte mit ihrem Löffel, fing an, den Teebeutel noch etwas mehr in ihre Tasse auszudrücken, legte dann alles aus der Hand. »Wenn ich jetzt mit Ihnen rede, wie groß sind die Chancen, daß ich es im Zeugenstand wiederholen muß?«
»Sie meinen, vor Gericht in Boston?«
»Ja.«
»Ich könnte gerissen sein und sagen, das weiß ich erst, wenn ich gehört habe, was Sie zu sagen haben, aber im Grunde weiß ich es überhaupt nicht. Ich bin kein Anwalt. Aber ich glaube, Sie sollten davon ausgehen, daß Sie es müssen. Es handelt sich hier um Mord, und wahrscheinlich können Zeugen auch zwangsweise über Staatsgrenzen hinweg vorgeladen werden, wenn die Informationen, die sie besitzen, wichtig genug sind. Es könnte sein, daß es nicht in meiner Macht steht.«
Zerle schien eine ehrliche Antwort besser zu gefallen als eine raffinierte. Sie ließ sich auf ihrem Stuhl zurücksinken und begann zu sprechen, langsam, so als erzählte sie Kindern eine Geschichte.
»Es ist
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