Guten Morgen, meine Schoene
ihm bereits bedeutete.
»Ich sterbe vor Hunger!« sagte Vicky. »Essen wir gleich zu Mittag, wenn wir heimkommen?«
»Ja«, antwortete Jed. »Und diesmal übernehme ich das Kochen, während deine Mutter sich ein wenig ausruht.«
»Onkel Jed«, sagte Vicky, nachdem sie die letzten Brösel mit dem Finger aufgepickt hatte, »das war der beste Hamburger, den ich je gegessen habe!«
»Ich schließe mich der Meinung an«, murmelte Sarah.
Vicky neigte den Kopf zur Seite und sah Jed bewundernd an.
»Wo hast du so gut kochen gelernt, Onkel Jed?«
»Meine Eltern hatten ein Restaurant. Mein Dad war Koch von Beruf…« Jed stieß einen leisen Pfiff aus. »Woher weiß ich das eigentlich? Ich nehme an, dass ich als Kind öfter in der Küche helfen musste und so das ein oder andere mitbekommen habe.«
Er lächelte trocken. »Vielleicht gehört Kochen zu den Dingen, die man nie verlernt – nicht einmal dann, wenn man sich nicht mehr an seinen eigenen Namen erinnert!«
Vicky krauste die Nase. »Hast du wirklich deinen Namen vergessen?«
»Ja – und noch vieles andere dazu!«
»Du hast gesagt, du wolltest in der Stadt telefonieren, um mehr über dich zu erfahren. Was hast du denn alles herausgefunden, Onkel Jed?«
Sarah fühlte Panik aufsteigen. Sie stand auf. »Bitte, entschuldige mich. Ich bringe Jamie nach oben. Er schläft schon halb.« Es war eine Ausrede, aber keine Lüge. Die Lider von Jamie waren schwer vor Müdigkeit. Er konnte kaum noch die Augen offen halten und protestierte nicht, als sie ihn vom Stuhl hob. »Vicky, du kommst mit nach oben.«
»Ich will aber nicht schlafen!« widersprach das Mädchen und verzog schmollend den Mund.
»Das brauchst du nicht. Du kannst dich auf mein Bett legen und in den Comics lesen, die wir in der Stadt gekauft haben.«
»Oh ja, die habe ich ganz vergessen!« Vicky glitt vom Stuhl.
»Bis später, Onkel Jed.«
Kaum hatte sein Kopf das Kissen berührt, schlummerte Jamie bereits selig. Nachdem Sarah die Vorhänge zugezogen hatte, ging sie mit Vicky ins Schlafzimmer nebenan.
»Hast du dieses viele Wasser gesehen?« fragte Vicky wenig später. Sie saß mit gekreuzten Beinen auf dem Bett ihrer Mutter und hatte die Comics auf dem Schoß. »Mann, das war vielleicht aufregend!«
Aufregend ist dafür wohl kaum das richtige Wort, überlegte Sarah finster. Und noch weniger passte es zur Situation, die durch die überschwemmte Straße entstanden war. Sie saßen in Morgan’s Hope fest, und der Zeitpunkt hätte nicht ungünstiger sein können.
Sie verspürte ein beklemmendes Gefühl bei dem Gedanken an die bevorstehende Aussprache mit Jed. Als sie sich am Parkplatz getroffen hatten, hatte sie ihm vom Gesicht ablesen können, dass er über Chance’ sträfliche Nachläs-sigkeit Bescheid wusste.
Oh, er hatte sich auf der Heimfahrt und während des Essens nichts anmerken lassen, aber sicher nur wegen der Kinder. Sobald er mit ihr allein war, würde er seiner Wut und Verbitterung freien Lauf lassen und sie bis zur Abreise so feindselig wie am ersten Abend behandeln.
»Mom, wolltest du nicht nach unten gehen?«
»Ja, Vicky, ich bin schon auf dem Weg.«
Sarah musste sich zwingen, das Zimmer zu verlassen. Es hatte jedoch keinen Sinn, die Aussprache noch länger hi-nauszuschieben.
Als sie die Treppe hinunterging, sah sie unten Jed vor einem der Ölgemälde stehen und es aufmerksam betrach-ten. Gebannt beobachtete sie, wie er die Fingerspitze langsam über die Signatur gleiten ließ. Er wusste also, dass Jeralyn die Bilder gemalt hatte, genau wie er auch über alles andere Bescheid wusste.
Ihr stockte der Atem. Sie blieb am Fuß der Treppe stehen und räusperte sich nervös.
Jed drehte sich zu ihr um. »Ah, da bist du ja. Rate mal, was ich heute herausgefunden habe. Diese Bilder«, er machte eine Handbewegung, die alle drei Gemälde ein-schloss, »hat meine Frau gemalt.«
Sarah, die Feindseligkeit erwartet hatte, war von seinem freundlichen Ton irritiert und vermochte ihn nur stumm anzusehen.
Offensichtlich deutete er ihr Schweigen falsch. »Ich war genauso überrascht wie du!« fuhr er fort. »Wir dachten beide, es wäre meine Signatur, aber wenn du sie dir genauer anschaust, wirst du sehen, dass es ,Jer Morgan’
und nicht ,Jed’ heißt.«
Sarah musste sich zwingen, zu ihm zu gehen und einen Blick auf das Bild zu werfen. »Du hast Recht.« Noch während sie sprach, fragte sie sich, wieso er tat, als wäre nichts geschehen?
Was sollte dieses Katz-und-Maus-Spiel? Sie wollte die
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