Guten Morgen, meine Schoene
Sie Ihrer selbstge-wählten Isolierung allmählich überdrüssig werden. Ach ja, noch etwas. Mitch holt nächste Woche, wie vereinbart, Minerva ab…«
»Deborah…«
»Tut mir Leid, Jed. Ich muss jetzt wirklich los. Wir hö-
ren voneinander.« Sie hatte aufgelegt, ehe Jed noch etwas sagen konnte.
Er fluchte unterdrückt und wählte nochmals die Nummer der Galerie, doch diesmal schaltete sich sofort der Anruf-beantworter ein.
Frustriert warf Jed den Hörer auf die Gabel und lehnte sich an die Wand. Er nahm den Lärm ringsum nicht wahr, sondern versuchte zu verarbeiten, was er durch Deborah erfahren hatte.
Bisher war er mit seinen Nachforschungen nicht gerade er-folgreich gewesen. Vor allem auf Brianna hatte er seine ganze Hoffnung gesetzt, musste aber hören, dass sie eine Geheimnummer hatte. Obwohl er mit Engelszungen auf die Dame von der Auskunft einredete, konnte er sie nicht dazu bewegen, ihm die Telefonnummer seiner Schwägerin zu verraten.
Und was Deborah betraf, so hatte sie ihm zwar einige Antworten geliefert, aber er wusste noch immer nicht, was zwischen ihm und Chance vorgefallen war.
Wenigstens hatte er die Angelegenheit mit Izzio erledigt.
Gleich als Erstes war er zur örtlichen Bank – zum Glück gab es nur eine! – gegangen und hatte mit dem Filialleiter gesprochen, der ihn, Jed, offenbar persönlich kannte, was die Sache erleichterte.
John Kincaid, so hieß der Mann, hatte ihm die neuesten Kontoauszüge übergeben. »Ihr Kontostand ist durch die Überweisung an die Baufirma etwas geschrumpft«, hatte der Filialleiter ihm lächelnd mitgeteilt, »doch es bestand selbstverständlich nie die Gefahr, dass Sie in die roten Zahlen geraten.«
Jed hätte beinahe der Schlag getroffen, als er sein Gut-haben sah. Verglichen damit waren die fünfzigtausend Dollar an Roberto Izzio wirklich nur ein Pappenstiel. Er konnte von der Bank aus mit Izzio telefonieren und ließ Kincaid gleich eine Überweisung auf den Italiener ausstellen und unterschrieb sie. Damit war Sarah zumindest eine von vielen Sorgen los.
Noch leicht benommen, weil er offenbar ein recht reicher Mann war, hatte er die Bank verlassen, um im gegenüber-liegenden Einkaufszentrum zu telefonieren. Und nun, nach dem Telefonat mit Deborah, wusste er nicht, was er noch anfangen sollte.
Gedankenverloren verließ er das Einkaufszentrum. Er war mit Sarah um zwölf auf dem Parkplatz verabredet, doch bis dahin hatte er noch eine ganze Stunde Zeit. Als er den Blick ziellos umherschweifen ließ, sah er ein oder zwei Blocks entfernt einen Kirchturm. Das brachte ihn auf eine Idee, und er setzte sich in Richtung Kirche in Bewegung.
Wie erwartet, befand sich direkt dahinter ein Friedhof. Jed öffnete das Eisentor und begann, langsam an den Gräber-reihen entlangzugehen, in der Hoffnung, das Grab seiner Frau zu finden.
Immerhin war es einen Versuch wert, auch wenn er es für wenig wahrscheinlich hielt, sie hier zu finden.
Er hatte bereits gut zwei Drittel des Areals vergeblich durchforstet, als ihn ein alter Mann mit struppigem grauem Haar und gebeugter Haltung ansprach.
»Suchen Sie jemanden?« fragte er Jed ohne Umschweife.
»Ich bin hier der Friedhofswärter.«
»Oh, hallo. Ich suche das Grab von… Jeralyn Morgan.«
»Ach, Sie meinen die Malerin. Ihr Tod liegt schon einige Jahre zurück. Soviel ich weiß, ist sie bei dem Brand ihres Hauses umgekommen. Todesursache war Rauchvergif-tung.«
Jed presste die Fingernägel in seine Handflächen. Er hatte sich noch kaum von dem Schock erholt, dass seine Frau nicht mehr lebte, da hörte er, welch schrecklichen Tod sie gehabt hatte.
»Sie ist hier nicht beerdigt, Kumpel«, fuhr der Mann fort.
»Ich habe gehört, dass ihr Mann ihre Asche auf dem Whispering Mountain verstreut hat.«
Konnte ein Mann so etwas je vergessen? Jed versuchte, sich mit aller Macht wenigstens daran zu erinnern – doch es nutzte nichts.
Er schien keine Vergangenheit mehr zu haben.
»Ihr Mann soll sich vor kurzem ein neues Haus bauen haben lassen«, fuhr der Friedhofswärter fort. »Er hat sich nach ihrem Tod völlig zurückgezogen. Man sagt, er sei nicht mehr ganz richtig im Kopf. Aber auf solches Gerede gebe ich nicht viel.« Der Friedhofswärter nickte Jed zu und ging weiter.
Langsam ging Jed zum Parkplatz zurück. Es war unfass-bar für ihn, dass sich eine solche Tragödie nicht unauslöschlich in sein Gedächtnis eingegraben hatte. Ein Schicksalsschlag, der ihn offenbar so aus der Bahn geworfen hatte, dass die Leute ihn
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