Guter Sex Trotz Liebe
Teil der Partnerschaft sei. Wir sind überzeugt, dass ein ausgeglichenes Sexualleben uns auch im sonstigen Leben voran bringe und das Wohlbefinden stärke â wir haben hohe Ansprüche an unsere Sexualität. Wir erwarten auf jeden Fall mehr als nur den eigentlichen sexuellen Akt. Leicht fühlen wir uns dann unter Druck gesetzt, wenn im Bett nicht alles so läuft, wie wir es erhoffen. Stets orientieren wir uns dabei auch an unserer gesellschaftlich-kulturellen Umgebung. Was ist erlaubt? Was ist verboten? Was ist erwünscht? Was ist verpönt?
Der Wandel der sexuellen Normierung
Die Antworten auf diese Fragen haben sich in den vergangenen vier Jahrzehnten stark gewandelt. Sexuelle Werte und Normen haben sich verschoben. Die Kultur des sexuellen Verbots und der sexuellen Normierung (Was ist normal? Was ist pervers?) hat sich in den 1960er und 1970er Jahren in eine Kultur des Gebots und der Leistungsorientierung verändert. Bis dahin war z. B. auÃerehelicher Verkehr oder Homosexualität gesellschaftlich geächtet. Nun ging es darum, sexuell etwas zu leisten, sexuell attraktiv und einfallsreich zu sein â und die alten Normen und Werte möglichst weit hinter sich zu lassen. In den 1980er Jahren wiederum galt es, sich sexuell wieder stärker zu beschränken. Das HI-Virus und AIDS verstörten unser Sexualleben. Die »freie« Liebe zu leben, war plötzlich nicht mehr selbstverständlich, sondern unvernünftig und riskant. Sexualität verbanden wir nunmehr mit Ãngsten und Gefahren. Eine neue Vorsicht machte sich breit. »Drum prüfe, wer sich ewig bindet« bekam wieder eine neue Bedeutung. Aber neben der Treue gab es schlieÃlich auch Kondome â¦
Im Lauf der Zeit veränderten sich die Szenarien. In den 1990er Jahren war es möglich, dass viele erotische Lebensentwürfe friedlich nebeneinander existierten. Ob schwul, hetero- oder asexuell, jedem ist es heute erlaubt, nach eigenem Geschmack und eigenen Wünschen glücklich zu werden. Auch mit HIV haben wir gelernt zu leben. AuÃer den drei Tabus Sexualität mit Kindern, sexuelle Gewalt und Inzest gilt inzwischen alles als erlaubt.
Es gibt keine Normen, die die Partner in ihrer Entscheidung beschränken. Vorausgesetzt, sie haben sich verständigt und sind sich einig. Wir können wählen zwischen verschiedenen Formen der Sexualität, Praktiken und Lebensformen. Ausschweifung ist genauso möglich wie Enthaltsamkeit. Wir dürfen heute sogar keine Lust haben â und stoÃen damit meist auf Verständnis. Unsere Sexualität ist weitgehend frei von äuÃeren Einschränkungen.
Die Schwierigkeiten mit der Freiheit
Diese neue Freiheit erleichtert es uns, eigenverantwortlich zu handeln. Zugleich fordert sie uns heraus: Wir müssen uns, ganz und gar selbstbestimmt, darüber klar werden, wofür wir uns in all der Vielfalt entscheiden wollen. Nicht mehr die Eltern, die Kirche oder der Staat und seine starre Gesetzgebung sind für unser Handeln als Erwachsene verantwortlich: Wir selbst entscheiden, wie wir uns lieben und wie wir unser Begehren zeigen. Die Orientierung für unser erotisches Leben müssen wir in uns selbst suchen und finden. Suchen wir auÃen nach Orientierung, sind wir verloren. Wir stoÃen auf eine unübersehbare Vielzahl von Meinungen und Ansichten, die mehr verwirrt als hilft.
Angesichts der vielen Meinungsanbieter ist es uns überlassen, ob wir uns an ihnen orientieren. War früher die Zeitschrift »Bravo« das Leitmedium für die pubertierende Generation, ist das Heft heute allenfalls eine Stimme unter vielen. Auch die Kirche liefert weiterhin Orientierungsangebote. Genauso versuchen es die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, die AIDS-Hilfe, der Biologieunterricht, der Freund mit dem Zugang zu Pornoseiten im Internet oder andere Verbreiter sexueller Informationen. Hinzu kommen mediale Ikonen, die zu Vorbildern werden: Der Berliner Bürgermeister outet sich als schwul. Die Musikerinnen Madonna und Britney Spears küssen sich öffentlich auf der Bühne. »Metrosexuelle« Männer wie Boris Becker oder David Beckham schmücken sich mit weiblichen Attributen und verwischen die Grenzen zwischen den Geschlechtern.
Die Suche nach Orientierung findet in einer Umgebung aus vielen Ãberzeugungen und ungezählten Möglichkeiten statt. FlieÃende Ãbergänge zwischen Wertvorstellungen und
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